Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
man kaum Informationen hat. Der bestausgebildete Cop oder FBI-Agent ist bei weitem nicht gut genug ausgebildet, um mit jeder Situation fertig zu werden. Wenn es zu einer Krise kommt (und es ist immer nur eine Frage der Zeit, wann es so weit ist), wird sie nur zu oft auf die gleiche Art und Weise bereinigt, wie wir es jetzt tun: Ein Agent mit einem Zwei-Wochen-kursus in Vermittlungstaktik bei Geiselnahmen wird aus dem Urlaub herbeigerufen, in eine schlecht sitzende Kevlar-Weste gesteckt und mit einer Aufgabe betraut, bei der kaum jemand damit rechnet, dass er damit fertig wird. Mit anderen Worten, wir tun unser Bestes mit den bescheidenen Mitteln, die wir haben.
Ich verdränge diese Gedanken und spähe durch die Tür ins Haus.
Ein paar Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn. Salzige Perlen.
Es ist ein neueres Haus für diese Gegend, zweigeschossig, mit einer Fassade aus Stuck und Holz und einem Ziegeldach. Klassisch südkalifornisch. Es sieht gepflegt aus; wahrscheinlich wurde es irgendwann in den letzten Jahren neu gestrichen. Es ist kein besonders großes Haus, und die Besitzer sind keine stinkreichen Leute, aber es ist ein schmuckes, adrettes Heim einer gut situierten Familie aus der Mittelschicht. Ein Zuhause, das nicht versucht, etwas anderes zu sein.
»Sarah?«, rufe ich hinein. »Ich bin es, Smoky Barrett. Du wolltest mit mir sprechen. Ich bin hier.«
Keine Antwort.
»Ich komme jetzt rein, Sarah. Ich möchte nur mit dir reden. Ich will herausfinden, was passiert ist.« Ich zögere. »Ich weiß, dass du eine Waffe hast, Sarah. Ich habe auch eine. Ich habe sie gezogen. Erschrick also nicht, wenn du mich siehst. Ich habe nicht vor, auf dich zu schießen.«
Ich warte. Wieder keine Antwort.
Ich stoße einen Seufzer aus, fluche lautlos und suche nach einem Grund, nicht in dieses verdammte Haus zu gehen. Mir fällt nichts ein. Ein Teil von mir will, dass es so ist. Es ist eine der nicht allzu geheimen Wahrheiten meines Berufs: Augenblicke wie dieser sind scheußlich; zugleich aber sind es die Situationen, in denen man sich am lebendigsten fühlt. Ich spüre, wie Adrenalin und Endorphine durch meinen Kreislauf rauschen, Angst und Euphorie zugleich. Wunderbar, schrecklich und süchtig machend.
»Ich komme jetzt rein, Sarah, okay?«
Keine Antwort.
Ach, scheiß drauf.
Ich packe den Griff meiner Glock fester, atme tief durch und gehe durch die offene Tür.
Das Erste, was ich rieche, ist Mord.
Ein Schriftsteller hat mich einmal gefragt, wie Mord riecht, und ich habe ihm geantwortet: »Es ist das Blut. Der Tod stinkt, aber wenn der Geruch von Blut stärker ist als alles andere, ist es meistens Mord.«
Er hatte mich gebeten, den Geruch von Blut zu beschreiben.
»Als hätte man den Mund voll Kupfermünzen, die man nicht ausspucken kann«, hatte ich geantwortet.
Genau dieser Geruch schlägt mir jetzt entgegen. Der süßliche, schwere, klebrige Geruch nach Kupfer, der an allem haften bleibt. Auf gewisse Weise erregt er mich.
Ein Killer war in diesem Haus. Und ich bin eine Killer-Jägerin.
Ich gehe weiter. Der Flur unten ist mit roten Hartwood-Dielen ausgelegt. Zu meiner Rechten befindet sich ein geräumiges Wohnzimmer mit beigefarbenem Teppichboden, Kamin und Gewölbedecke. Eine zweiteilige beigefarbene Couch steht in L-Form vor dem Kamin. Große Doppelfenster zeigen hinaus auf den Rasen. Was ich sehe, ist sauber und ordentlich undwenig phantasievoll. Die Besitzer dieses Hauses haben sich alle Mühe gegeben, durch Anpassung zu beeindrucken, nicht durch Extravaganz.
Auf der rechten Seite reicht das Wohnzimmer bis zur Rückseite des Hauses, wo es nahtlos ins Esszimmer übergeht. Der beigefarbene Teppich ebenfalls. Ein Esstisch aus honigfarbenem Holz steht unter einer Deckenlampe, die an einer langen schwarzen Kette von der hohen Decke hängt. Eine einzelne weiße Glastür hinter dem Tisch führt in die Küche. Bieder, das alles. Freundlich, aber nicht leidenschaftlich.
Vor mir befindet sich eine Treppe, die nach rechts auf einen Absatz führt und von dort nach links und hinauf in den ersten Stock. Auch hier beigefarbener Teppich, wie überall. Die Wände entlang der Treppe sind mit gerahmten Fotos verziert. Ich sehe einen Mann und eine Frau, beide jung, die lächelnd beieinanderstehen. Der gleiche Mann, die gleiche Frau, inzwischen ein wenig älter, halten ein Baby. Das Baby, zu einem Teenager herangewachsen, zu einem Jungen, hübsch, mit dunklen Haaren, wie Vater und Mutter. Ich suche alle Bilder ab,
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