Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
kann aber nirgends ein Mädchen entdecken.
Links von der Treppe befindet sich ein Salon. Dicke Glasschiebetüren führen von diesem Zimmer in den mittlerweile schattigen Garten hinter dem Haus.
Ich rieche Blut, überall Blut, Blut und noch mehr Blut. Obwohl jedes Licht im Haus brennt, ist die Atmosphäre düster und bedrückend. Hier ist etwas sehr Schlimmes geschehen. Entsetzen hat die Luft erfüllt. Menschen sind gewaltsam gestorben, und das Gefühl ist erstickend. Meine Pulsfrequenz schnellt in die Höhe. Die Angst der Opfer hängt noch in der Luft, stechend und stark. Genau wie die Euphorie des Killers.
»Sarah?«, rufe ich.
Keine Antwort.
Ich bewege mich vorwärts, auf die Treppe zu. Der Geruchvon Blut wird stärker. Jetzt, da ich in den Salon sehen kann, erkenne ich warum. Auch in diesem Zimmer gibt es eine Couch, die einem großen Breitbildfernseher zugewandt steht. Der Teppich ist rot durchnässt. Hier ist Blut geflossen, in Strömen, mehr Blut, als das Gewebe des Teppichs aufnehmen konnte. Ich kann Lachen sehen, dunkel, dick, gerinnend. Wer immer solche Ströme von Blut verloren hat – er ist in dem Zimmer gestorben.
Doch es ist keine Leiche zu sehen.
Was bedeutet, dass die Leiche bewegt wurde.
Ich sehe mich um, doch ich entdecke keine blutigen Spuren, keinen Hinweis darauf, dass eine Leiche durchs Haus gezerrt wurde. Das Blut ist nicht verschmiert, sondern liegt in Pfützen und Lachen da, sauber umgrenzt, bis auf einen großen, ausgefransten Fleck unweit der Stelle, an der ich stehe.
Vielleicht wurden die Leichen dort aufgehoben.
Was große Körperkraft erfordert. Ein erwachsener menschlicher Leichnam, totes Gewicht, ist sehr schwer zu tragen, geschweige denn zu heben. Jeder Feuerwehrmann oder Sanitäter kann ein Lied davon singen. Einen ausgewachsenen Mann zu tragen ist so, als würde man einen zwei Meter hohen Sack Bowlingkugeln schleppen.
Es sei denn, das Blut stammt von Kindern. Dann wäre das Hochheben und Tragen nicht so schwer gewesen. Oh ja, ein wunderbarer Gedanke.
»Sarah? Ich komme jetzt die Treppe hoch.« Meine Stimme klingt überlaut in meinen Ohren, und übervorsichtig.
Ich schwitze noch immer. Die Klimaanlage ist ausgeschaltet , wird mir bewusst. Wieso? Ich bemerke tausend Dinge gleichzeitig. Angst und Euphorie, Euphorie und Angst.
Ich nehme meine Pistole in beide Hände und bewege mich langsam die Treppe hinauf. Ich erreiche den Treppenabsatz, wende mich nach links. Der Geruch nach Blut wird immer stärker. Jetzt rieche ich noch andere Dinge. Vertraute Gerüche.Urin und Kot. Und wieder andere, nassere Dinge. Eingeweide, sie haben ihren ganz eigenen Geruch.
Jetzt kann ich etwas hören. Ein schwaches Geräusch. Ich neige den Kopf, lausche angestrengt.
Sarah singt.
Meine Nackenhaare richten sich auf und mein Magen überschlägt sich fast, als das Adrenalin die Endorphine davonspült. Ich zittere am ganzen Körper.
Es ist kein Gesang. Es ist ein grauenvolles Geräusch. Es ist die Art von Lied, die man auf einem Friedhof aus einem Grab zu hören erwartet, mitten in der Nacht, oder aus der schattigen Ecke einer Zelle in einer Irrenanstalt. Es ist ein einzelnes Wort, eine einzelne Note, gesungen in schrecklicher Monotonie.
»Laaa. Laaa. Laaa. Laaa.«
Wieder und wieder, diese eine einzige Silbe, diese einzelne Note, mit einer Stimme, die kaum mehr ist als ein Flüstern.
Es ist die Stimme des Wahnsinns.
Rasch bewege ich mich den zweiten Treppenabsatz hinauf, vorbei an all den lächelnden Gesichtern auf den Fotos an der Wand. Ihre Zähne scheinen im Licht zu glitzern.
Sieh sich das einer an , schießt es mir durch den Kopf, als ich oben angekommen bin. Noch mehr beigefarbener Teppich.
Ich stehe in einem kurzen Korridor. Am Ende liegt ein Badezimmer. Sämtliche Lichter brennen, die Tür steht weit offen. Ich sehe (Überraschung!) einen beigefarben gefliesten Boden.
Der Korridor biegt vor dem Badezimmer nach rechts ab. Ich nehme an, dass sich direkt hinter der Biegung eine Schlafzimmertür befindet.
Noch mehr Beige, jede Wette.
Mein Herz hämmert in meinem Hals, und mein Gott, ich schwitze!
Zu meiner Rechten ist eine weiße Doppeltür. Der Eingang zu einem Ort des Grauens, da bin ganz sicher. Alle Gerüchesind stärker geworden. Sarahs grauenvoller, einsilbiger Gesang kitzelt auf meiner Haut.
Ich strecke die Hand aus, um die Tür zu öffnen. Die Hand zögert über dem Messinggriff. Ich sehe, wie sehr sie zittert.
Ein Mädchen mit einer Waffe ist hinter dieser Tür. Eine
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