Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Augenbrauen. Barry sieht mich fragend an. Mir wird bewusst, dass ich den anderen einen Schritt voraus bin – ich habe das Schlafzimmer gesehen, sie noch nicht.
»Der Täter war am helllichten Tag hier. Es ist Samstag, also sind die Leute zu Hause. Es ist ein schöner, sonniger Samstag. Die Leute sind draußen in ihren Gärten, genießen das Wetter, fahren Rad.« Ich deute auf das Fenster des großen Schlafzimmers im ersten Stock. »Unser Freund hat sich im Schlafzimmer beschäftigt. Überall ist Blut – an den Wänden, an der Decke –, doch es sind keine Spritzer von den Morden. Er hat es absichtlich dorthin gebracht. Wahrscheinlich war er von oben bis untenvoll Blut. Er musste es abwaschen, und er wollte es hier tun. Es gefiel ihm, das Blut hier abzuwaschen.«
»Warum hat er nicht eins der Badezimmer im Haus benutzt?«, fragt Callie. »Es ist ein ziemliches Risiko, in den Garten zu gehen. Privatsphäre oder nicht – er muss den Schutz des Hauses verlassen. Jemand könnte klopfen, während er hier draußen ist, oder nach Hause kommen, und er würde es nicht einmal bemerken.«
»Der Bursche ist cleverer, als ich dachte«, sagt Barry. »Wahrscheinlich weiß er, dass wir die Abflüsse in den Badezimmern überprüfen werden. Es ist viel schwieriger, im Filtersystem des Pools irgendwas von ihm zu finden. Das Chlor ist nicht gerade freundlich zu Hautschuppen oder Haaren.«
Ich betrachte den Pool. Er ist ungefähr sechs Meter lang und scheint überall die gleiche Tiefe zu besitzen. Eine einzelne Treppe führt hinunter ins Wasser. Glasierte Fliesen umgeben das Becken und bilden eine Liegefläche.
»Die Fliesen sind an verschiedenen Stellen nass«, sage ich. »Ich …«
»Komm da weg, Smoky«, unterbricht Callie mich unvermittelt und mit scharfer Stimme. »Sofort. Wir müssen zurück ins Haus.«
Barry und ich blicken sie verdutzt an.
»Warum wohl sind die Fliesen nass?«, fragt Callie.
Ich begreife. »Weil er hier draußen herumgelaufen ist, wahrscheinlich nackt und barfuß, und Fußabdrücke hinterlassen hat … die wir zerstören, wenn wir hier herumtrampeln.«
»Stimmt«, sagt Barry. »Verdammt.«
»Die Spurensicherung muss den gesamten Garten mit einer Ultraviolettlampe absuchen«, sagt Callie. »Zentimeter für Zentimeter, und wenn es noch so langwierig ist. Gott sei Dank ist das nicht mein Job heute Nacht.«
Spuren wie latente Finger- oder Fußabdrücke, Sperma und Blutspritzer fluoreszieren unter bestimmten Umständen inultraviolettem Licht. Callie hat recht. Wenn der Killer nackt hier draußen herumgelaufen ist, bestehen gute Aussichten, Spuren von ihm zu entdecken.
Wir kehren durch die gläserne Schiebetür ins Haus zurück und bleiben im Salon stehen, während wir nach draußen blicken.
»Sie vermuten also, der Pool hat nicht nur dem Abwaschen von Beweisen gedient?«, fragt Barry mich.
»Ich vermute …«, setze ich an und verstumme, als mir plötzlich die Bilder deutlich vor Augen stehen, wie so oft, wenn ich mich in die Gedanken eines Psychopathen versetze. Es schwimmt aus irgendeiner dunklen Ecke meines Unterbewusstseins nach oben, völlig ausformuliert. »Ich glaube, er hat es genossen, hier draußen im Freien etwas Schreckliches zu tun. Er hat die Familie am helllichten Tag getötet und in ihrem Blut gebadet. Dann hat er sich ausgezogen und ein ausgedehntes Bad im Pool genommen, während die Leichen in dem nicht klimatisierten Haus lagen. Die Leute in der Nachbarschaft feierten Kindergeburtstage, schnitten Hecken, mähten Rasen und grillten ihre Steaks, ohne zu ahnen, dass unser Freund hier war und den Tag auf seine Weise genoss.« Ich schaue Barry an. »Das Gefühl von Triumph muss überwältigend gewesen sein. Wie ein Vampir, der im Sonnenschein umherspaziert. Ein Gefühl von Macht … Selbstsicherheit. Ja, man muss verdammt selbstsicher sein, am helllichten Tag hierherzukommen und mit einem Messer zu töten. Es passt zusammen.«
»Krankes Schwein«, sagt Barry und schüttelt den Kopf. Er seufzt. »Also dreht er ein paar Runden im Pool, legt sich womöglich in die Sonne und lauscht den Nachbarn, während er sich selbst auf die Schulter klopft. Aber es bleibt die Frage nach der zeitlichen Abfolge. Sie sagen, das Blut am Tatort unten war frisch. Okay, aber wie erklärt sich das? Er tötet zwei Opfer oben im Haus, malt mit ihrem Blut seine Wandgemälde, geht runterschwimmen und tötet dann das dritte Opfer? Und was macht Sarah, während sich das alles abspielt?«
Ich zucke die Schultern.
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