Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
lassen.
Mein Handy summt. Es ist Barry.
»Hi«, begrüße ich ihn.
»Ich habe ein paar Informationen über die Opfer in der Wohnung für Sie. Sehr interessant.«
»Schießen Sie los.«
»Der Name des Mannes lautet Jose Vargas, achtundfünfzig Jahre alt. Er stammt aus dem sonnigen Argentinien. Hat wegen Diebstahl, Überfall, versuchter Vergewaltigung und Missbrauch von Minderjährigen gesessen.«
»Netter Bursche.«
»Und ob. Er wurde der Zuhälterei, der Kindesmisshandlung und des Missbrauchs von Tieren verdächtigt, aber nicht verurteilt.«
»Missbrauch von Tieren?«
»Sexueller Missbrauch, wie es scheint.«
»Oh. Igitt.«
»In den Siebzigern gab es Mutmaßungen, dass er als Schleuser arbeitet, aber man konnte ihm nichts beweisen. Das ist bis jetzt alles, was ich über Mr. Vargas herausgefunden habe. Niemand wird ihn vermissen.«
»Und das Mädchen?«
»Bis jetzt noch nichts. Kein Ausweis in der Wohnung. Ich habe eine Tätowierung mit kyrillischen Schriftzeichen auf ihrem linken Arm gesehen, falls das etwas nutzt.«
»Russisch?«
»Scheint so. Obwohl es nicht bedeutet, dass sie Russin ist. Noch eine Sache. Sie hat Narben an den Fußsohlen. Die gleichen Narben, wie wir sie im Haus der Kingsleys gefunden haben. Allerdings nicht so alt.«
Ein Adrenalinstoß schießt in meinen Kreislauf.
»Das ist wichtig, Barry. Die Narben sind ein Schlüssel.«
»Ja, ich bin ganz Ihrer Meinung. Das ist alles, was ich für den Augenblick habe. Callie und Sykes nehmen die Bude hier völlig auseinander. Ich fahre zurück zum Haus der Kingsleys. Ich ruf Sie morgen früh an.«
»Okay. Danke, Barry.«
Ich lehne mich auf dem Sofa zurück und starre an die Decke. Sie ist überzogen mit jenem »akustischen Popcorn«, das früher einmal völlig normal war und heute so verschmäht wird. Matt und ich hatten vorgehabt, es abzukratzen, aber wir sind nicht mehr dazu gekommen.
Narben , denke ich. Narben und Kinder. Diese beiden Fakten sind wichtig. Aber was sagen sie aus?
Ohne einen Augenzeugen oder ein Geständnis oder ein Video, das den Täter bei der Tat zeigt, bleibt uns nur eine Möglichkeit: Alles sammeln, so schnell wie möglich, es analysieren, einreihen und versuchen, es zu verstehen. Die Kreise derErmittlungen sollten nicht immer weiter gezogen werden, sondern immer enger.
Ich lasse mich nach unten gleiten, sodass ich vor dem Wohnzimmertisch auf dem Fußboden sitze anstatt auf der Couch. Ich reiße Seiten aus dem Notizbuch und breite sie vor mir aus.
Es ist Zeit, dass ich meine Gedanken ordne. Ich muss alles aufschreiben und vor mich hinlegen, damit ich die Zusammenhänge zwischen diesen Fällen sehen kann, mit den Augen .
Auf eine Seite schreibe ich in großen Druckbuchstaben TÄTER als Titelzeile.
Ich kaue auf meinem Stift, denke nach. Dann fange ich an zu schreiben.
Methodologie: Er schneidet seinen Opfern die Kehle durch. Ein intimer Akt. Er lässt sie ausbluten. Blut ist wichtig für ihn. Es steht für irgendetwas. Nach dem Tod weidet er die Erwachsenen aus. Möglicherweise setzt er sie zuerst unter Drogen, um sie besser kontrollieren zu können.
Auffälligkeiten: Er verstümmelt die Kinder nicht, nur die Erwachsenen. Warum?
Weniger Wut auf Frauen als auf Männer, verdeutlicht durch die Tatsache, dass er die Augen der weiblichen Opfer schließt. Er will, dass die Männer alles sehen, aber nicht die Frauen. Warum?
Ist er schwul?
Ich denke über diese Möglichkeit nach. Es ist viel zu früh, und wir besitzen zu wenig Erkenntnisse, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Die bloße Tatsache, dass er den Frauen nicht so zusetzt wie den Männern, ist verräterisch. Rituelle Serienkiller schließen so gut wie immer eine sexuelle Komponente mit ein, und das Geschlecht der Opfer verrät für gewöhnlich die sexuelle Orientierung des Täters. Jeffrey Dahmer war homosexuell, also tötete er homosexuelle Männer. Heterosexuelle Täter ermorden Frauen. Und so weiter.
»Mordopfer sind häufig Menschen, die den Täter entmutigen und in Wut versetzen«, hat einer meiner Lehrer einmal gesagt. »Wer wäre besser dazu geeignet, jemanden in Wut zu versetzen und zu entmutigen, als das Objekt der persönlichen Begierde? Oder, um es derber auszudrücken«, hatte er weiter ausgeführt, »welches Geschlecht sieht er vor sich, wenn er die Augen schließt und sich selbst befriedigt? Einen Mann oder eine Frau? Die Antwort verrät uns das Geschlecht seiner Opfer.«
Ich nicke. Das muss ich im Auge behalten. Ich mache mit meinen
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