Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
das am Wochenende ohnehin nicht der klügste Schachzug gewesen.«
»Ja. Er würde eher auffallen als in der Menge verschwinden.«
»Genau.«
»Er ist ein verwegener Mistkerl, Alan. Meine Güte, am helllichten Tag, wenn alle zu Hause sind. Warum tut er das?«
»Du glaubst, es hat was zu bedeuten?«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es. Man geht ein solches Risiko nicht ohne Grund ein. Unser Freund steht auf Botschaften, und er hat uns eine solche geschickt, indem er so vorgegangen ist, wie er es getan hat.«
»Und wie lautet seine Botschaft?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwidere ich seufzend.
»Du wirst es bestimmt herausfinden. Wie sieht der Schlachtplan aus?«
»Barry hat uns offiziell um Hilfe gebeten, also sind wir dran an diesem Fall. Aber fahr jetzt nach Hause. Wir machen morgen früh weiter.«
»Bist du sicher?«
»Absolut. Ich fahre selbst nach Hause. Ich hab zu viele Informationen und zu wenig Antworten. Ich brauche Zeit zum Nachdenken, und die Forensik braucht Zeit, um ihre Arbeit zu tun.«
»Ruf mich morgen an.«
Ich verlasse die Wohnung. Barry ist draußen und lehnt am Geländer. Der Himmel ist klar in dieser Nacht; ich kann mehr Sterne sehen als gewöhnlich. Ihre Schönheit lässt mich kalt.
Was ist das für ein Gestank? Oh, das bin ich selbst. Ich rieche nach Tod.
»Schon irgendeinen Sinn hinter allem erkannt?«, fragt Barry.
»Ich habe noch keine Antworten, falls Sie das meinen. Nur weitere Fragen.«
»Zum Beispiel?«
»Nach den Zusammenhängen. Was haben die Kingsleys mit diesen Leichen hier zu tun? Was hat es mit den Kindern auf sich? Warum weidet er deren Leichen nicht aus? Warum schließt er nur die Augen der Frauen und lässt die der Männer offen? Warum hat er Sarah am Leben gelassen, und welcheVerbindung hat Sarah zu diesem Tatort hier? Gibt es überhaupt einen Zusammenhang?«
»Wie wollen Sie vorgehen?«
»Callie sowie Gene und seine Leute werden diesen Tatort hier unter die Lupe nehmen, während Simmons und sein Team bei den Kingsleys weitermachen. Wir müssen Sarah morgen vernehmen, und wir haben ihr Tagebuch.« Ich halte inne, wende mich Barry zu. »Ich fahre nach Hause.«
Er hebt überrascht die Augenbrauen. »Tatsächlich?«
»Ja. Mir schwirrt der Kopf. Ich habe einen Teenager daran gehindert, sich das Hirn aus dem Schädel zu schießen, und ich habe fünf Tote zu viel gesehen. Ich bin vollgestopft mit Informationen über den Täter, die meisten davon widersprüchlich. Ich brauche eine Dusche und eine Tasse Kaffee, und dann werde ich in Ruhe über alles nachdenken.«
Barry hebt die Hände in einer Geste der Kapitulation. »Hey, ich bin nicht Ihr Gegner! Ich komme in Frieden!«
Er bringt mich gegen meinen Willen zum kichern. Er schafft das fast so gut wie Callie. Aber nur fast. »Tut mir leid. Könnten Sie mir einen letzten Gefallen tun?«
»Klar.«
»Finden Sie heraus, wer die Toten sind. Der Mann und das Mädchen. Vielleicht hilft es mir, ein paar Dinge besser zu verstehen.«
»Kein Problem. Ich rufe Sie auf dem Handy an, sobald ich es weiß. Außerdem beordere ich ein paar Uniformierte hierher, die Ihren Leuten behilflich sein können.«
»Danke, Barry.«
Callie kommt aus der Wohnung.
»Gene und sein Team sind unterwegs. Sie sind verschlafen und mies drauf.«
Ich erzähle Callie, was ich mit Barry besprochen habe.
»Dann ist der Urlaub also vorbei?«
»Längst.«
KAPITEL 13
Wie viel Leben kann man an einem einzigen Tag leben?
Ich bin zu Hause, und ich bin allein. Bonnie schläft heute Nacht bei Elaina und Alan. Es wäre egoistisch gewesen, sie zu wecken, nur damit sie mir Gesellschaft leisten kann. Ich bin frisch geduscht und sitze auf meiner Couch vor einem Fernseher, der nicht eingeschaltet ist, die Füße auf dem Wohnzimmertisch, und starre ins Nichts.
Ich habe Mühe, den Tag zu verarbeiten.
Es ist ein Trick, den zu lernen ich früh gezwungen war: wie man einen Tatort hinter sich lässt, wenn man nach Hause kommt. Wie aber trennt man diese beiden Welten, die der Toten und die der Lebenden? Wie verhindert man, dass sich das eine mit dem anderen vermischt? Es sind Fragen, die jeder Cop und jeder FBI-Agent für sich selbst beantworten muss. Ich hatte nicht immer Erfolg, doch ich kam einigermaßen zurecht. Es fing normalerweise damit an, dass ich mich zum Lächeln zwang. Wenn ich lächeln konnte, dann konnte ich auch länger lächeln. Wenn ich länger lächeln konnte, konnte ich lachen. Und wenn ich lachen konnte, konnte ich die Toten ruhen
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