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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es
aussah, als trüge er dunkelrote nasse Handschuhe, die bis an die
Ellbogen hinaufreichten. Es hätte des bitteren
Kupfergeschmackes auf seiner Zunge nicht mehr bedurft, um
ihm zu beweisen, wer das schlimmste Ungeheuer war. Dieser
Anblick war es, der ihm noch einmal die Kraft gab, der
brennenden Gier zu widerstehen; vielleicht zum letzten Mal.
»Ich halte mein Wort«, sagte er, »Ich werde deine Seele nicht
nehmen.«
»Töte … mich«, flehte der Sterbende. »Hab doch …
Erbarmen.«
Das war ein Wort, das Andrej nichts mehr bedeutete. Er
starrte noch einen Moment mitleidlos auf den Soldaten hinab,
dann drehte er sich um und ging langsam weiter. Er musste nur
wenige Schritte weit laufen, bevor das Prasseln der Flammen
die Schreie des sterbenden Mannes verschlungen hatte.
Es war Andrej klar, dass er nicht auf direktem Weg zur
Kirche gehen konnte.
Wenn der sterbende Soldat die Wahrheit gesagt hatte - woran
er nicht zweifelte - dann hatte er es immer noch mit mindestens
sechzehn Gegnern zu tun, den Inquisitor nicht mitgerechnet.
Das waren selbst für einen Mann mit seinen außergewöhnlichen
Fähigkeiten eindeutig zu viele Soldaten, um ohne Strategie
gegen sie zu kämpfen. Er war nahezu unsterblich, aber nahezu
bedeutete nicht vollkommen. Wenn er blindlings losstürmte,
dann würde er in sein Verderben laufen.
Vielleicht wäre das Beste, dachte Andrej finster. Für Abu
Dun, für die Menschen hier und vor allem für ihn selbst. War
das vielleicht der wirkliche Grund, aus dem er
zurückgekommen war?, fragte er sich. Nicht um die Menschen
hier zu retten, oder das Geheimnis seiner Herkunft zu lüften,
sondern weil er den Tod suchte?
Beunruhigt schüttelte er den Gedanken ab. Er hätte zu einer
Antwort kommen können, die ihm nicht gefiel.
Auf dem Weg zum Dorfplatz begegneten ihm keine weiteren
Menschen mehr, weder Soldaten noch Trentklammer, und auch
der Kirchplatz selbst bot einen anderen Anblick, als er erwartet
hatte. Die Handvoll Häuser, die den runden Platz säumten,
waren nicht niedergebrannt, zeigten aber deutliche Spuren der
Gewalt, die auch hier gewütet hatte: Eine eingetretene Tür hier,
ein zertrümmertes Fenster dort, ein paar geschwärzte
Dachschindeln, wo die Flammen von einem der benachbarten
Gebäude übergegriffen hatten und in aller Hast wieder gelöscht
worden waren.
Dennoch ließ ihn der Anblick für einen Moment er-starren;
vielleicht, weil er zu sehr dem jenes anderen Dorfes ähnelte, in
dem sie Alessa gefunden hatten, nur dass die Vorzeichen hier
genau umgekehrt waren: In jenem Dorf auf der anderen Seite
der Berge waren es die Fremden gewesen, die ahnungslos in ihr
Verderben gelaufen waren; hier hatten die Fremden den Tod
gebracht.
Und er hatte eine blutige Spur gezogen. Andrej sah keine
Toten, aber unmittelbar vor der offen stehenden Kirchentür
waren zwei gewaltige Scheiterhaufen errichtet worden. Einer
davon schwelte noch, der zweite brannte lichterloh - was aber
gewiss nicht mehr lange so bleiben würde -, und nur einige
Schritte entfernt waren vier Soldaten damit beschäftigt, einen
dritten Scheiterhaufen zu errichten. Sie machten sich allerdings
nicht die Mühe, Reisig oder Feuerholz herbeizuschaffen,
sondern verwendeten Materialien, die sie kurzerhand aus den
benachbarten Häusern geholt hatten: zerbrochene Möbel, Teile
von Fensterrahmen und Bodendielen …
Weit mehr als das Vorhandensein der Scheiterhaufen selbst
machte dieses Vorgehen Andrej klar, dass die Soldaten nicht
vorhatten, in diesem Ort noch irgendjemanden am Leben zu
lassen. Er fragte sich, warum Vater Benedikt und der Inquisitor
überhaupt über die Trentklammer zu Gericht saßen, anstatt sie
gleich zusammen mit ihren Häusern zu verbrennen.
Zwei Soldaten lösten sich von ihren Kameraden und kamen
auf ihn zu.
Andrej fuhr erschrocken zusammen, wich geduckt ein paar
Schritte zurück und senkte die Hand auf das Schwert. Schnell
musste er aber erkennen, dass sie nicht einmal in seine Nähe
kommen würden, sondern unterwegs zu einem der Gebäude auf
der linken Seite des Platzes waren - vermutlich, um weiteres
Brennmaterial zu holen.
Das Haus stand ein wenig abseits. Sämtliche Fenster und die
Tür standen offen, aber dahinter brannte kein Licht. Es war leer,
und seine Bewohner vermutlich zusammen mit allen anderen in
der Kirche; dem einzigen Gebäude im Dorf, das groß genug
war, um so viele Gefangene aufzunehmen.
Wahrscheinlich war das auch der einzige Grund, aus dem die
Ungeheuer m den

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