Der Todesstoss
sich.
Als sie die Tür erreichten, fing die Decke Feuer. Eingehüllt in
Flammen und dicken, erstickenden Qual stolperten sie aus dem
Raum und noch einige Schritte weiter, bis Martius endgültig
das Gleichgewicht verlor und auf die Knie fiel. Auch seine
Robe hatte Feuer gefangen. Andrej beförderte ihn mit einem
Stoß endgültig zu Boden, warf sich über ihn und versuchte, die
Flammen mit seinem eigenen Körper und bloßen Händen zu
ersticken. Drei Soldaten eilten herbei, packten ihn und zerrten
ihn mit grober Gewalt von Martius weg. Er wurde zu Boden
geworfen, und eine Speerspitze richtete sich drohend auf sein
Gesicht.
»Aufhören!«
Andrej atmete erleichtert auf. Als er sich hochzustemmen
versuchte, stieß die Speerspitze erneut nach seinem Gesicht,
schrammte über seine Wange und hinterließ einen tiefen,
blutigen Kratzer darauf. Andrej hob hastig die Hand an die
Wange, um die Wunde zu verbergen, ließ sich aber zugleich
wieder zurücksinken, um dem übereifrigen Soldaten keinen
Vorwand zu liefen, ihn endgültig niederzustechen. Aus den
Augenwinkeln sah er, wie zwei, drei Männer zugleich auf die
Flammen in Martius’ Gewand einschlugen und sie endgütig
erstickten.
Mühsam, aber sehr schnell, stemmte sich der Inquisitor in die
Höhe und scheuchte die Männer davon. »Verschwindet! Mir
fehlt nichts! Raus hier - und bringt die Menschen in Sicherheit.
Sofort!«
Nicht alle Soldaten gehorchten. Die meisten eilten hastig
davon, aber zwei oder drei bleiben stehen und starrten
abwechselnd Andrej und den Inquisitor an. Einer versuchte
sogar, sich der Tür zu nähern und die Flammen zu ersticken, die
mittlerweile auch die Außenseite des Rahmens in Brand gesetzt
hatten und gierig nach den Stützbalken leckten. Nur noch
wenige Minuten, dachte Andrej, und die gesamte Kirche würde
in Flammen aufgehen. Keine Macht der Welt konnte das noch
verhindern.
»Habt ihr mich nicht verstanden?«, schnappte Martius. »Raus
hier! Draußen im Kirchenschiff sind Menschen, die eure Hilfe
brauchen! Bringt sie in Sicherheit!«
Auch die letzten Soldaten suchten nun das Weite, und endlich
wagte es Andrej, vorsichtig aufzustehen. Seine Finger fuhren
über das Blut auf seiner Wange. Die Schnittwunde darunter war
verschwunden. Auch Martius war diese weitere schnelle
Heilung nicht entgangen, wie sein Blick deutlich machte.
Andrej begann zu einer Erklärung anzusetzen, beließ es dann
aber bei einem angedeuteten Achselzucken.
Aus der offen stehenden Tür hinter ihnen schlugen weitere
Flammen, und dahinter tobte ein Sturm aus weißer und gelber
Glut. Für einen entsetzlichen Moment glaubte Andrej, eine
Bewegung inmitten der tobenden Höllengluten zu sehen. Aber
vermutlich hatte er sich getäuscht, und es war nichts anderes als
ein Trugbild, entstanden aus dem Tanz der Flammen und seiner
eigenen Furcht.
»Werdet Ihr Euer Wort halten?«, fragte er leise. Er war nicht
sicher, ob Martius seine Stimme überhaupt hörte, aber er bekam
eine Antwort.
»Ich habe ihm mein Wort nicht gegeben, Andrej.«
Andrej fuhr herum. Seine Hand schloss sich um das Schwert.
»Ihr wisst, was ich meine, Inquisitor«, sagte er wütend. »Soll
dieser alte Mann wirklich umsonst gestorben sein?«
Martius starrte an ihm vorbei. Das gleißende Licht der
Flammen spiegelte sich in seinen Augen, und wahrscheinlich
war es nur die unerträgliche Helligkeit, die die Tränen
verursacht hatte, die jetzt über seine Wangen liefen.
»Also?«, fragte Andrej, als Martius nicht antwortete. »Was
werdet Ihr tun?«
Der Inquisitor schwieg noch immer. Sein Blick war starr in
die Flammen gerichtet, und seine linke Hand tastete nach der
Stelle auf seiner Brust, an der bisher das goldene Kruzifix
gehangen hatte. Aber sie stieß ins Leere.
»Geht«, flüsterte er.
Andrej war nicht sicher, was Martius meinte.
»Geht, Andrej Deläny«, wiederholte Martius. »Euer Begleiter
ist unversehrt. Nehmt ihn mit und verschwindet. Und sorgt
dafür, dass sich unsere Wege nie wieder kreuzen.«
»Ihr lasst uns gehen?«, vergewisserte sich Andrej.
Martius riss seinen Blick von den Flammen los. Sein Gesicht
wirkte versteinert. »Wer seid Ihr, Andrej?«, fragte er. »Was seid
Ihr?«
»Wollt Ihr das wirklich wissen?«, fragte Andrej.
Martius schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich will es
nicht wissen. Ich könnte Euch nicht gehen lassen, wenn ich es
wüsste.«
»Aber Ihr lasst uns gehen.«
»Eine Stunde«, sagte Martius. »Ihr und dieser Mohr, Ihr habt
eine Stunde
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