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Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veijo Meri
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weit zog sich der sandige Strand am Meer hin. Vor uns lag ein drei Kilometer breites Tal mit kümmerlichem Laubwald. Der Landrücken gegenüber war mit Kiefern bewaldet und Kiefernwald gab es auch auf unserer Seite. Es regnete, aber es hatte schon solange geregnet, daß einem der Regen schon gar nichts mehr ausmachte. Dann und wann kam es von den Bäumen herunter, in hohem Bogen, als spuckten sie auf uns.
    Die vorderste Linie verlief auf der Höhe des Landrückens jenseits des Tals. Die Pioniere errichteten Stacheldrahtverhaue im Tal und öffneten Ausblicke im Gelände, indem sie den Wald ausholzten. Wir auf unserer Anhöhe gingen daran, drei Schützenlinien zu graben. Man wollte die vorderste Frontlinie, ohne daß der Feind es bemerkte, hierher in die für uns günstigere Stellung zurückverlegen. Man hatte uns den Verlauf der Arbeit durch Kalkstreifen markiert. Bei diesem Sandboden hatte jeder ein Tagessoll von fünf Metern. Der Graben wurde anderthalb Meter tief und oben einen Meter, unten sechzig Zentimeter breit. So sind die Schützengräben, so eng. Es war praktischer zu zweit zu graben. Ich hatte einen starken Kumpel, er war stärker als ich. Wir machten unsre Arbeit in zwei Stunden und verzogen uns dann. Wir aßen in der Batteriestellung, ließen uns in aller Ruhe nieder und unterhielten uns. Aus der Ferne hörte man es bumsen wie in einem kochenden Kartoffelkessel: die Deutschen beschossen und bombardierten Leningrad.
    – Dort ist es für niemanden jetzt so besonders an-
genehm, sagte mein Kamerad.
– Und du meinst, hier ja? fragte ich.
– Jedenfalls besser als dort.
    – Dann überleg mal, daß das eine Stadt ist und kein nasser Wald.
    – Einige Leute dürfen es wirklich nicht leicht haben. Ich kann dem Schicksal nur dankbar sein, daß ich nicht als Russe oder Frau zur Welt gekommen bin. – Die Frauen haben doch jetzt nichts zu klagen, wir sitzen doch hier.
    – Trotzdem würd ich mit denen nicht tauschen. Was für eine Frau war ich denn, nun sieh doch mal, jedenfalls nicht besonders schön und auch sonst nicht bezaubernd.
    Ich hab das Abitur. Na ja. Seinerzeit bin ich mit dem Milchzug von der Offiziersschule aus Hamina abgehaun. Vielleicht besser so. Dann kam ich reichlich spät vom Urlaub zurück, nach der Heirat. Auf dem Gericht trennten sie mir eine Litze ab. »Wenn Sie mir schon die eine wegnehmen, nehmen Sie doch auch gleich die zweite«, sagte ich und fluchte, so sehr war ich in Brast. Ich hatte ja immerhin eine ganze Reihe von Kampfeinsätzen hinter mir. Sie trennten mir auch die zweite ab.
    Wie wir da so saßen, rückte der Regimentsverpflegungschef, Major Metsäkuusi, an.
    – Wo sind hier die Speisereste? fragte er, obwohl er selber mitten im Abfallhaufen stand.
    – Der Herr Major stehn da grade an Ort und Stelle, sagte ich.
    Er blickte mich ziemlich lange an. Er sah mir wohl an, daß ich ein Gebildeter sei, und dachte, ich wolle ihn reizen.
    – Nehmen Sie Haltung an! Und dann das hier! Es ist in der Batterie nicht gestattet, Speisereste wegzuwerfen, sagte Metsäkuusi und fing an, den Haufen zu inspizieren, er wühlte mit seinen Pfoten in den Kartoffelschalen und dem anderen Müll herum, er zog die Handschuhe aus, um sie nicht schmutzig zu machen. Wie speckig die wohl von innen waren! Er fand zuguterletzt eine erstens grüne, zweitens verschrumpelte und drittens halbverfaulte Kartoffel. Er war ganz hingerissen, betrachtete sie eingehend und kratzte mit den Fingern dran.
    – Nun sehn Sie mal, was Sie hier anstellen. Eine gute Kartoffel! Wenn diese Verschwendung nicht aufört, gibt es keine Kartoffeln mehr! Verstanden? – Jawoll, sagte ich.
    Ich wunderte mich nur, daß er sie nicht aufaß. Nach allem, was ich gehört habe, aß er nämlich auch, was er im Müll aufspürte, um zu demonstrieren, daß das eßbar sei. Aber er hatte diesmal wohl zuwenig Zuschauer, nur uns zwei.
    Gerade hatten wir uns wieder gesetzt, als der Batteriechef, Viki Sund, erschien. Er hatte wahrscheinlich schon auf den Verpflegungschef gelauert. Der dickste Batteriechef der Welt; wie Göring! So dick, seine Schenkel hatten einen Umfang wie ich um die Taille, eine richtige Sehenswürdigkeit. Als wir von der Front kamen, waren die Leute in Kouvola auf dem Bahnhof entsetzt und lamentierten: Mein Gott, muß denn auch sowas in den Krieg! Viki lachte nur darüber. Viki besaß ein großes Gut. Jede zweite Woche trafen ein halbes Kälbchen, eine Kiste Brot und eine Kiste Kartoffeln ein. Mit der Aufschrif:

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