Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
zur Seite geklappt und gab die Stufen frei. Die Alte ging voran, Simon folgte ihr die Stufen hinab. Iras Oma schloss die Klappe hinter ihnen.
»Bring sie in die Küche.«
Er folgte der Anweisung. Der Raum, der vom Flur am Ende der Treppe abging, war blitzsauber und geräumiger, als er ihn aus seiner Welt in Erinnerung hatte. Ein Feuer brannte im Herd, die Flammen leckten aus der offenen Ofenklappe und erhellten den Raum. In der Mitte stand ein großer Tisch.
Vorsichtig legte Simon die Leopardin auf der Tischplatte ab. »Sie muss gebadet werden«, setzte er an, »mit Kräutern.« Er wollte der Alten gerade erklären, dass er nicht wusste, was für eine Kräutermischung der Leopardin helfen würde, als sie ihm das Wort abschnitt. »Ich weiß, was sie braucht.«
Simon war verblüfft. »Woher wissen Sie das?«
Die Alte wuchtete einen Topf mit Wasser auf den Herd. »Du hast es mir selbst gesagt. Schon vergessen?«
Simon starrte sie an: Wie konnte er ihr etwas gesagt haben, was er selbst nicht wusste? Und vor allem, wann? In dieser Welt war er Iras Großmutter noch nie begegnet. Sie musste sich irren.
Doch danach sah es nicht aus. Zielstrebig ging die Alte zu einem Kräuterregal, um Tontöpfe auszuwählen und sie neben einer Waage aufzustellen. Anschließend wog sie sorgfältig die Mischung ab und gab sie in eine Zinkwanne. Als sie die Kräuter mit heißem Wasser übergoss, zog jener Geruch durch den Raum, den Simon schon kannte.
Ashakida schnupperte ein wenig und seufzte, ohne ihre Augen zu öffnen.
»Komm, hilf mir.« Die Alte winkte Simon zu sich. Gemeinsam hoben sie die Leopardin in die Wanne. Ashakida fauchte. Dann bleckte sie die Zähne und streckte sich. Ein Schauer lief durch ihren Körper.
Eine Weile lag sie mit geschlossenen Augen im Wasser. Endlich schlug sie die Augen auf. Sie wirkte ein wenig verlegen, als sie Simon ansah. »Kannst du uns alleine lassen?«
Simon nickte stumm und ging zur Tür.
»Geh zu Ira«, rief ihm die Alte nach, »sie zeigt dir, wo du dich waschen kannst.«
Leise verließ Simon die Küche.
Hinter der Küchentür öffnete sich ein langer Gang. Kerzen brannten in Mauernischen. Simon konnte sich nicht recht entscheiden, ob die Atmosphäre gemütlich oder unheimlich war.
»Ira?«
Keine Antwort.
Er rief noch einmal. Als es still blieb, öffnete er nacheinander die Türen, die von dem Flur abgingen. Er entdeckte einen Abstellraum, die Kammer, in der Iras Großmutter schlief, und zuletzt das Bad. Ira selbst fand er nicht. Simon war nicht böse darüber. Er war froh, den Staub und Dreck der letzten Tage abwaschen zu können, und dabei war er lieber alleine.
Simon entzündete an einer der Kerzen im Flur eine Öllampe, die auf einem Tischchen im Gang bereitstand. Die Lampe leuchtete hell, und als er sie mit in das Bad genommen und auf dem Waschtisch abgestellt hatte, konnte er genug sehen, um nach Seife und einem Handtuch zu suchen. Er entdeckte beides in einem wackeligen Schrank, in dem auch einige ausgeblichene Waschlappen lagen. Schließlich füllte er aus einem Fass eine Waschschüssel mit Wasser und zog sich aus, nicht ohne noch einmal überprüft zu haben, ob die Tür wirklich fest verriegelt war.
Es tat gut, den Schmutz der vergangenen Tage loszuwerden. Waschen war ihm früher immer überflüssig vorgekommen, eine lästige Pflicht, zu der ihn seine Mutter genötigt hatte. Jetzt genoss er das Gefühl, den Staub von seiner Haut zu spülen. Es war, als lege er mit dem Dreck auch die Sorgen der vergangenen Tage ab, auch wenn das natürlich nicht stimmte, Simon wusste das. Doch der Gedanke gefiel ihm. Zuletzt wusch er sich seine Haare, so gut das mit dem wenigen Wasser in der Waschschüssel ging. Als er sich wieder angezogen hatte, fühlte er sich viel besser.
Nachdem er das schmutzige Wasser in den Ausfluss gegossen und das Bad wieder aufgeräumt hatte, trat Simon zurück in den Flur. Unschlüssig blieb er stehen. Er war sich nicht sicher, ob er schon wieder zurück zur Küche gehen sollte. Ashakida oder Iras Großmutter würden ihn bestimmt holen, wenn sie fertig waren. Besser, er störte sie nicht.
Simon überlegte noch, was er tun sollte, als ihm am Ende des Gangs, verdeckt durch einen Mauervorsprung, eine weitere Tür auffiel. Sie war schmaler als die anderen und schloss bündig mit der Wand ab, deshalb war sie ihm nicht sofort aufgefallen. Er ging zu ihr und klopfte. Als niemand antwortete, drückte er die Klinke hinunter.
Der Raum hinter der Tür war sehr klein, eine
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