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Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Titel: Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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des Bunkers. Auch Philja wohnte hier. Ira bekam ein Bett in einem Schlafraum für Mädchen zugewiesen, Simon schlug mit Ashakida sein Lager gleich nebenan auf, in einem lang gestreckten Schlafsaal, in dem einzelne Kojen mit Tüchern abgeteilt waren.
    Simon warf sein Gepäck auf das Bett und drehte sich zu Philja um. »Danke.«
    Philja betrachtete ihn nachdenklich. »Das hat er noch nie gemacht.«
    Obwohl Simon ahnte, wen Philja meinte, fragte er nach. »Wer hat was noch nie gemacht?«
    »Ben. Der Junge gerade eben. Den du berührt hast.« Philja erzählte, dass Ben sonst ohrenbetäubend schrie, sobald sich ihm jemand näherte. »Darum hat er auch einen Raum für sich. Nur Lisa darf zu ihm kommen.«
    »Lisa?«
    »Das Mädchen, das beobachtet hat, wie eure Leute von den Soldaten in die Stadt gebracht worden sind.«
    »Und warum ist er so?«
    Philja verzog ratlos das Gesicht. »Keine Ahnung. Das weiß niemand. Wir haben ihn oben in der Stadt gefunden und mitgenommen, vor ein paar Monaten.« Er grinste. »Wir wissen noch nicht einmal, ob er Ben heißt.« Er habe ihn so genannt, erzählte der Rothaarige, und dabei sei es geblieben.
    Simon nickte nachdenklich. »Eigentlich wirkte er ganz normal. Ein bisschen still vielleicht.«
    Philja lachte. »Ein bisschen? Seit er hier ist, hat er kein einziges Wort gesprochen! Und normal ist er auch nicht. Manchmal ist er tagelang verschwunden. Kein Mensch weiß, wo er sich versteckt. Dann ist er wieder da und spielt einfach, ohne uns zu beachten.« Der Rothaarige betrachtete Simon wie ein seltenes Tier. »Du bist der Erste, den er angesehen hat. Und er hat dich angefasst. Einfach so. Warum?«
    Simon zuckte mit den Schultern, er wusste nicht, warum Ben zu ihm Zutrauen hatte, obwohl er ihn nicht kannte. Oder gab es in dieser Welt vielleicht doch einen Doppelgänger von ihm und Ben verwechselte ihn?
    »Ich mag ihn«, sagte Philja unvermittelt und lächelte. »Ben hat irgendwas an sich …« Er stockte und suchte nach Worten. »Wenn er da ist, werde ich ruhig, egal, was vorher war. Weiß auch nicht, warum das so ist.«
    Simon wusste, was er meinte: Genau das hatte er auch empfunden, als er vor dem Jungen gehockt hatte. Er nickte nachdenklich.
    Philja wirkte ein bisschen verlegen. Oft schien er über solche Dinge nicht zu reden. Schnell wurde er wieder geschäftig. »Häng deine Sachen zum Trocknen auf.« Er wies auf die Rückwand der Schlafkoje, ein Heizungsrohr führte dort entlang. »Ich besorg euch inzwischen was zum Anziehen. Und dann reden wir. Ich ruf den Rat zusammen.«
    »Der Rat?«
    »Das ist die Versammlung aller Familienoberhäupter.«
    Simon fragte nach, und Philja erklärte, dass die Kinder und Jugendlichen, die in diesem Schutzraum lebten, eine Familie bildeten. Er war das gewählte Familienoberhaupt, seit Kurzem erst. »Aber wir sind nicht die einzige Familie hier unten unter der Stadt, es gibt viele andere.« Überall in den Katakomben, berichtete er, lebten Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die in Schutzräumen oder in versteckten Kellergewölben Unterschlupf gefunden hatten. Jede dieser Familien schickte einen Vertreter in den Rat.
    Simon nickte. Vielleicht war ein solches Treffen nicht schlecht. Vielleicht erfuhren sie dort mehr über das Schicksal seines Großvaters und das der Dorfbewohner.
    Philja wandte sich zum Gehen. Er hatte die Vorhänge schon in der Hand, als er zögerte und sich noch einmal zu Simon umdrehte. »Hat Drhan mitbekommen, dass ihr in die Stadt gekommen seid?« Er war besorgt.
    Simon schüttelte den Kopf. »Nein. Niemand weiß, dass wir hier sind.«
    Doch sicher war er sich nicht.

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33
    Simon war dabei, seine Sachen zum Trocknen auszubreiten, als Ashakida in den Schlafraum zurückkehrte. Die Leopardin hatte sich in der Bunkeranlage umgesehen, jetzt schlängelte sie sich durch die Vorhänge, die Simon und ihren Schlafplatz umgaben. Mit einem Satz sprang sie neben ihn auf das zweite Bett, das in der Schlafkoje stand. Simon sah kurz zu ihr, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Dann holte er das Skizzenbuch seines Großvaters aus dem feuchten Rucksack und begann es auszuwickeln. Zu seiner Erleichterung war es trocken geblieben. Iras Oma hatte das Buch in Wachspapier eingeschlagen, genau wie die Kräuter, die sie ihm mitgegeben hatte. Fast schien es, als habe sie geahnt, was geschehen würde. Simon überlegte kurz, das Buch durchzublättern, doch seine Neugierde auf das, was Ashakida herausbekommen hatte, war größer.
    »Und?«

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