Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
hat auch gegen diesen verfluchten Damm gewettert, gegen die gigantischen Verdienste der Unternehmer, gegen die Erpressung der Arbeiter …«
»Bestens«, befand Asmus. »Wird er mir denn Auskunft geben?«
»Oh, ganz bestimmt. Seine ganzen Kenntnisse hat er ja zusammengetragen in der Hoffnung, dass sich endlich einmal jemand aus der Verwaltung für den Missbrauch interessiert und dagegen angeht.«
Die Laune des Kaufmanns war wie ausgewechselt. Offenbar war ihm schon seit langem das Gefühl dafür abhanden gekommen, dass sein Sohn etwas Sinnvolles tat. Aber soebenwar es zurückgekehrt. »Wie sehen Sie eigentlich Cords Auflehnung gegen das, was er als illegal erachtet?«
»Ich stehe auf seiner Seite. Aber sehen Sie: Ich bin Kaufmann und muss mich mit den Kollegen arrangieren …«
Asmus lächelte ihm ermunternd zu. Offensichtlich konnte die Familie Sibbersen es sich leisten, eines ihrer Kinder, das gemeinnützig tätig sein wollte, durchzufüttern. »Dann würde ich gerne die Adresse des jungen Mannes haben«, sagte er. »Ich werde ihm schreiben.«
Das Gesicht von Bonde Sibbersen legte sich wieder in Falten wie bei dem Mops im Laden. »Tja«, sagte er bedächtig. »Cord hat bisher in der Nähe der Klappe in der Friedberger Anlage von Frankfurt gewohnt, wie viele der Freunde. Nach seiner Rückkehr wollte er umziehen. Das ist ungefähr drei Wochen her. Aber bisher hat er noch nicht geschrieben.«
»Hm«, murrte Asmus. »Das ist ja Pech, was mich betrifft. Pflegt er denn oft zu schreiben?«
»Eigentlich ja«, meinte Sibbersen. »Allerdings verschwinden seine Briefe manchmal und kommen nie an. Ich vermute, es hängt davon ab, wer im Westerländer Postamt Dienst hat. Die preußische Post selbst ist zuverlässig, aber nicht alle Angestellten …«
»Ja, gewiss«, stimmte Asmus zu und wunderte sich trotz allem, dass er dem Kaufmann in diesem Punkt nicht recht glauben mochte. Dessen Hände tasteten jetzt unruhig über eine Kiste mit schrumpeligen Kartoffeln. Seine zitternden Finger brachen alte Triebe ab, die unbeachtet in die Kiste zurückfielen. Der Mann fürchtete sich oder etwas, das ihm anscheinend soeben wieder bewusst geworden war. Jedoch wusste Asmus, dass er hier an seine Grenze stieß. Mehr würde der Vater über seinen Sohn nicht erzählen.
Asmus gab Sibbersen die Hand. »Würden Sie mich benachrichtigen, sobald Sie eine Nachricht von Cord bekommen? Es wäre sehr wichtig.«
»Das kann ich leicht.«
»Übrigens sollte ich noch erwähnen, dass dieses Gespräch unter uns bleibt. Auch für meine Arbeit ist es besser, wenn ich meine Kontakte nicht erwähne.« Asmus hatte die Türklinkeschon in der Hand, als der Kaufmann ihn zurückrief.
»Das Bier, Herr Asmus! Probieren Sie es wenigstens.«
»Ja, das hätte ich fast vergessen.« Von dem inzwischen eingeschenkten dunklen Bier kostete Asmus und fand es sehr wohlschmeckend. Er nickte anerkennend.
»Nehmen Sie eine Flasche mit«, schlug Sibbersen vor und holte eine angestaubte aus einem Holzkasten.
»Ich kann sie mir einfach nicht leisten, Herr Sibbersen.« Asmus bedauerte es sehr. »Vielleicht einmal, wenn die Regierung die Inflation im Griff hat und das Verhältnis von Verdienst zu Lebenshaltungskosten wieder normal ist.«
»Nehmen Sie, ich schenke sie Ihnen«, drängte der Kaufmann und hielt ihm die Flasche hin.
Asmus seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich danke, aber das geht nicht.«
Bonde Sibbersen legte die Stirn in Falten. Dann verstand er. »Vorwurf der Bestechlichkeit?«
»Ja, genau das. Ich möchte mich auf Boshaftigkeiten diverser Leute nicht einlassen.«
»Auch Sie haben Feinde«, platzte Sibbersen erstaunt heraus. »Das hätte ich nicht vermutet. Ich dachte immer, in Ämtern stecken alle unter einer Decke. Und die Amtsleiter mit allen anderen, die Macht und Einfluss besitzen.«
Asmus hielt ihm die Hand hin. »Nein, das trifft nicht zu. In allen Ämtern gibt es viel Neid, Feindschaften und Fallgruben. Passen Sie auf sich auf.«
Sibbersen schüttelte ihm kräftig die Hand. »Sie aber auch!«
Am nächsten Tag erkannte Asmus Ose, die am Strand entlang auf dem Weg nach Munkmarsch war. Er änderte sofort den Kurs der Jolle und steuerte ans Ufer zwischen kleinen Inseln mit Riedgras hindurch. Ose hatte ihn inzwischen gesehen, die Schuhe ausgezogen und watete ihm entgegen.
Als sie zu Asmus ins Boot geklettert war und die Ruder wieder Wasser unter sich hatten, fragte sie: »Wie war’s? Hast du etwas erfahren?«
»Über Cords Gründe, Sylt zu
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