Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
verlassen, ja. Darüber könnenwir aber nicht reden. Was mich beschäftigt, ist die Tatsache, dass Cord vor etwa drei Wochen die Insel verlassen hat und Bonde erkennbar beunruhigt war, weil er noch keine Nachricht von ihm hat. Er versuchte, es zu verbergen.«
Ose zog die Augenbrauen in die Höhe, so dass ihre tiefblauen schönen Augen im Abendlicht aufleuchteten. Asmus ließ die Ruder ruhen. Das Boot machte kurze Nickbewegungen in den auflaufenden Wellen. In der Nähe zerrten auf einer Schilfinsel zwei Austernfischer an einem nicht zu erkennenden Gegenstand, und in der Ferne schrien Möwen. Alles war fast unwirklich friedlich.
»Was ist?«, fragte Asmus.
»Wenn Bonde dir freiwillig erzählt, dass Cord vom anderen Ufer ist – was auch hier als schlimmes Verbrechen gilt. Und wenn Bonde darüber hinaus Grund findet, sich zu beunruhigen und es trotzdem verschweigt – dann würde ich mir als Polizist Gedanken um Cord machen.«
»Völlig richtig. Die mache ich mir auch. Aber ich kann nicht nach Frankfurt fahren und ihn suchen. Und ihn auch nicht durch die dortigen Kollegen suchen lassen. Vermutlich würden sie ihn festnehmen, allein mit der Begründung, dass sein Name in den Akten auftaucht.«
»Auch ich kann nicht hinfahren«, murmelte Ose bedrückt. »Es geht Ferdinand Avenarius immer schlechter. Ich kann ihn nicht allein lassen.«
»Ich würde dich auf keinen Fall in die aktive Polizeiarbeit einbinden, liebe Ose«, erklärte Asmus entschieden. »Das ist absolut nicht gestattet. Ich habe eine andere Idee: Cord verließ Arm in Arm mit einem Bekannten die Parteiversammlung. Der sprach ein sehr südliches Deutsch und war ganz bestimmt ein Gast. Den sollte man finden können. Vorausgesetzt, er ist noch auf Sylt.«
»Das wäre eine Aufgabe, die ich bestimmt unauffälliger erledigen könnte als du. Cord umgibt sich gerne mit Reichen und Schönen. Ich kann es in den guten Hotels versuchen«, bot Ose an. »Mir wird schon etwas einfallen, weshalb ich den Süddeutschen suche, obwohl ich seinen Namen nicht kenne. Eine Pflanze etwa, die erst jetzt blüht und nach der er Ausschau hielt …«
»Das könnte funktionieren«, sagte Asmus widerwillig. »Du hast zwar recht, aber angenehm ist es mir nicht. Die besten Pläne können auffliegen.« Schweigend ruderte er in den Hafen zurück, im Zweifel, ob er Oses Angebot annehmen sollte.
Als er Bahnsens Ruderboot zwischen zwei Pfählen vertäut hatte, fiel ihm ein, dass er nun auf Muscheln verzichten musste. Das Grünzeug, das er gesammelt und vorgekocht hatte, musste für diesen Abend reichen.
So dürftig ging es dann doch nicht zu. Ose hatte vier hartgekochte Eier und Kartoffeln mitgebracht, mit denen sie ihnen ein Festessen zauberte. Mit der letzten Flasche Wein aus Asmus’ Vorräten machten sie es sich im Cockpit der Franziska gemütlich und lauschten auf das Gluckern der Wellen an der Bordwand und auf die leisen Rufe von Gänsen, die zu dieser Jahreszeit gar nicht mehr in der Gegend sein sollten.
Im Licht des sehr hellen Vollmondes schickte sich Asmus an, Ose nach Keitum zu begleiten, was sie ablehnte. Asmus hatte es gar nicht anders erwartet, so selbstbewusst, wie sie war.
»Ose«, sagte Asmus eindringlich, »bitte gestatte, dass ich mitkomme. Als Kavalier würde ich deinen Willen ohne Widerspruch respektieren, doch als Polizist habe ich Grund, um deine Sicherheit besorgt zu sein. Ich weiß nicht, was hier vorgeht, aber der Uferstreifen zwischen Keitum und Munkmarsch ist nächtens häufig seltsam belebt. Von Schabernack bis Schmuggel ist als Grund alles denkbar. Jetzt, wo Boy Böhrnsen gesucht wird und möglicherweise aufs Festland geschafft werden soll, könnte das nächtliche Treiben um eine weitere Komponente verstärkt sein. Und nicht jeder mag Zeugen oder Mitwisser.«
»Wenn du meinst …«
Asmus nickte erleichtert, und sie machten sich schweigsam auf den Weg. Die Atmosphäre schien plötzlich bedrückend, als sich Wolkengebirge vor den Mond schoben und die bisherige Helligkeit tiefer Schwärze wich.
Wieder befanden sie sich im Klentertal, als ein schwacherLichtschein nicht weit von ihnen entfernt Asmus’ gespannte Nerven fast zum Zerreißen brachte. Ohne Vorwarnung stieß er Ose zu Boden und warf sich über sie. »Still!«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Da ist jemand.«
Aber er hörte nichts Verdächtiges, nur das Säuseln des Windes im hohen Gras und schläfriges Quaken.
Unter ihm versuchte Ose sich freizukämpfen. »Meinst du nicht, dass du allmählich
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