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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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sterben will, dann brauche ich mich auch nicht vor dem Ersticken zu fürchten. Wenn ich sterben will, brauche ich vor nichts mehr Angst zu haben, dachte er.
    In der Nacht, als er vor Angst nicht mehr in den Schlaf fand und sterben wollte, hatte er einen Entschluss gefasst. Er würde am nächsten Morgen als Erster zuschlagen. Er würde wie gewohnt auf die beiden zugehen. Er würde auf den Größeren der beiden zugehen und ihm mit der Faust auf den Mund schlagen. Er hatte noch nie mit der Faust geschlagen. Er durfte seine Hände nicht einmal zum Rudern oder Hantelstemmen benutzen, weil dadurch die Fingerknochen dickund fest und auf der Klaviatur langsamer wurden. Er trainierte an jenem Abend im Bett, indem er Luftlöcher schlug. Immer wieder fuhr er den Arm kerzengerade aus, wie auf einer Schiene. Ich darf mich von nichts ablenken lassen, dachte er, ich darf an nichts denken, nur daran, diese Faust kerzengerade ins Ziel zu bringen.
    Und so tat er es. Er trat auf die beiden zu, und als sie sich von dem Bushäuschen lösten, schlug er zu. Er spürte nichts, nur einen Ruck in der Schulter.
    Der Größere der beiden Brüder war umgefallen wie ein Baum, mit einem erstaunten, fast anerkennenden Lächeln. Sein Bruder stand daneben, wagte weder, Lunau zu attackieren, noch seinem Bruder beizustehen. Der Bus kam, Lunau stieg vorne ein, ging ganz durch den Mittelgang und setzte sich in die hinterste Reihe, wo gewöhnlich nur die Angeber saßen und lärmten. Die Brüder stiegen als Letzte in den Bus ein und setzten sich in eine der vordersten Reihen, in eine Reihe mit den Strebern und Verlierern. Lunau hatte sich unsterblich gefühlt. Ein Rausch, aus dem er nie wieder erwachen wollte.
    »Wenn Sie mich jetzt erschießen, werden Sie nicht davonkommen«, sagte Lunau.
    »O doch. Die Organisation weiß, dass Sie mit De Santis hier rausgefahren sind. Man wird zwei Leichen finden, jeweils mit der Waffe des anderen erschossen. Ein perfektes Duell auf See. »
    »Auf See. Und wer brachte die Yacht wieder rein?«
    »Wer sagt, dass die Yacht wieder einläuft? Ich bin einguter Schwimmer. Trotz meiner kleinen Behinderung.« Tarantella lächelte. Er hob den Arm, das Mündungsfeuer zuckte durch die pechschwarze Nacht, Lunau fiel rücklings über die Reling.
    Er dachte an Silvia, ihre nackte Wade, die unter dem Laken hervorsah, an Saras lange Wimpern, die ihre großen Augen umschlossen. Die Geschenke lagen im Kofferraum des Leihwagens. Er würde sie nicht mehr überreichen. Er sah Jette, vor der dunklen Glasscheibe des Berliner Cafés, gegen das der Herbstwind das bunte Laub klatschte, ihr Lächeln, mit dem sie auf seinen Heiratsantrag reagierte. Er dachte an Paul und Stefan, die Armbändchen mit ihren Namen, die sich in den rötlichen Speck schnitten, an die langen Wege durch die nächtlichen Korridore der Entbindungsstation. Während es kalt um ihn wurde, das eisige Wasser seine Muskeln zusammenpresste, schnürte der Schmerz ihm den Magen zu.
    Es blieb ihm keine Zeit nachzudenken. Er kam noch einmal an die Oberfläche zurück und schnappte nach Luft, während es in seinen Eingeweiden zog. Er spürte, wie das Leben aus ihm floss, wie seine Beine schwerer wurden in der nassen Hose, er spürte den Sog der Schraube. Auf dem Boot über ihm war das Bild erstarrt. Tarantellas Silhouette hatte eine merkwürdige Ausbuchtung. Lunau schaffte es, mit strampelnden Bewegungen über Wasser zu bleiben und das Bild scharfzustellen. Der Motor der Yacht war verstummt.
    Hinter Tarantella stand jemand. Hatte mit einem Werkzeug ausgeholt und Tarantella niedergestreckt.Dieser war auf die Knie gestürzt, und mit einem fast höhnischen Lächeln versuchte er, seinen missgebildeten Arm zu heben. Dann kippte er nach vorne.
    Die Gestalt trat an die Reling und brüllte gestikulierend. Es war Gianella, der einen Rettungsring schwenkte. Die Bordwand wogte weiß und bedrohlich über Lunau. Er schwamm in langsamen Zügen durch die Dünung.
    Nachdem Gianella ihn an Bord geholt hatte, beugte er sich über Tarantella. Dieser lag auf dem Bauch, in seinem Rücken steckte ein Pickel. Lunau tastete nach dem Puls. Er war schwach, aber spürbar. »Ist er tot?«, fragte Gianella. »Habe ich ihn umgebracht? Ich habe noch nie jemanden umgebracht. Ich wollte das nicht. Aber er hat Meseret getötet. Und Sie wollte er auch töten.«
    »Wir müssen Hilfe holen.«
    Gianella lief auf die Brücke und startete den Motor. »Es gibt hier draußen keinen Handy-Empfang«, sagte er und legte den Gang

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