Der Tote am Steinkreuz
sind befreundet, aber nur befreundet, seit wir uns auf dem Konzil in Hildas Abtei in Northumbria kennenlernten, mehr ist da nicht.«
Crón nahm diese Versicherung mit offenkundiger Skepsis entgegen.
»Es ist schön«, bemerkte sie bedeutungsvoll, »so einen Freund zu haben.«
»Da wir gerade von Freunden reden«, erwiderte Fidelma geschickt, »ich hatte dir ja schon gesagt, ich suche Dubán.«
»Weshalb mußt du so dringend mit ihm sprechen?« erkundigte sich die Tanist.
»Hast du mal was von Gadra gehört?«
Crón machte ein überraschtes Gesicht.
»Warum willst du etwas über Gadra wissen?«
»Du kennst ihn also?« hakte Fidelma sofort nach.
»Natürlich. Gesehen habe ich ihn allerdings zum letztenmal, als ich noch ganz klein war. Ich kann mich nur vage daran erinnern. Er wohnte ein paar Jahre in Teafas Hütte. Doch dann ging er wieder fort. Er ist ein Einsiedler. Heutzutage glauben die jungen Leute, er sei weiter nichts als ein Kinderschreck. Weil er als Einsiedler in den Bergen verschwand, benutzen ihn einige, um ihren Kindern Angst zu machen, damit sie gehorchen.«
»Weißt du, wo man Gadra finden kann?«
Crón schüttelte den Kopf.
»Ich glaube kaum daß er noch lebt.« Sie zuckte die Achseln. »Doch wenn es ihn noch gibt, dann muß man schon Mut haben, um ihn aufzusuchen, denn es heißt, daß er sich weigerte, den neuen Glauben anzunehmen, und sich mit dem Bösen einließ.«
»Mit dem Bösen einließ?«
Crón nickte.
»Er hielt an dem Glauben unserer heidnischen Vorfahren fest, und die Leute meinen, daß er sich deshalb in die Einsamkeit der dunklen Berge zurückgezogen hat.«
Hinter Fidelma bewegte sich etwas. Dubán trat ein.
Sein Blick ging rasch zwischen Fidelma und Crón hin und her, und er tat erstaunt, sie hier beisammen anzutreffen. Dann hob er die Hand zum Gruß. Fidelma wurde klar, daß jemand, der so zu heucheln verstand, auch in anderen Dingen schwer zu packen sein würde.
»Wie ich höre, hattest du keinen Erfolg bei der Suche nach den Viehdieben, Dubán«, beklagte sich Crón. Sie tat so, als hätte sie ihn heute noch nicht gesehen.
»Wir haben die Berge meilenweit durchstreift, aber keine Spur von den Viehdieben gefunden. Von Díomas Herde wurden zwei Kühe weggetrieben. Wir verfolgten ihre Spur bis zum Rand des Schwarzen Moors und verloren sie dann im Wald.«
Crón war sichtlich beunruhigt.
»Früher haben Viehdiebe unser Tal nie ungestraft heimgesucht. Wir müssen sie fassen. Unsere Ehre steht auf dem Spiel.«
»Wir werden sie schon kriegen«, knurrte Dubán. »Sobald ich eine frische Schar gesammelt habe …«
»Jetzt ist es zu spät dazu. Außerdem haben wir eine Gerichtsverhandlung zu führen. Schwester Fidelma hat vorgeschlagen, daß sie mich dabei berät, und ich habe zugestimmt. Ich habe ihr auch gesagt, daß du ihr etwas über den alten Gadra erzählen kannst.«
Crón drehte sich um und verließ die Halle. Dubán blieb zurück, er schien ein wenig verunsichert.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte er verlegen. »Das mit Gadra, meine ich.«
»Ich habe gehört, du kanntest Gadra.«
»Den Einsiedler Gadra«, nickte Dubán. »Ja, aber das ist zwanzig Jahre her. Er ist tot.«
»Bist du sicher?« fragte Fidelma enttäuscht.
Dubán rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Sicher bin ich nicht. Aber ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich als junger Mann Araglin verließ. Er muß inzwischen gestorben sein.«
»Crón sagte, sie habe ihn gesehen, als sie noch ein kleines Mädchen war und er bei Teafa im rath wohnte. Wüßtest du, wo er zu finden wäre, falls er noch lebt?« Fidelma gab nicht auf.
»Da oben in den Bergen im Süden. Dort wohnte er in einem kleinen Tal.«
»Würdest du Bruder Eadulf und mich dorthin führen?«
Dubán zögerte verwirrt.
»Nach all der Zeit? Wahrscheinlich ist er tot«, wiederholte er.
»Aber du weißt es nicht mit Bestimmtheit?«
»Nein. Aber der Ritt ist zweifellos vergeblich. Man braucht fast einen Tag hin und einen zurück.«
»Führst du uns?«
»Ich habe meine Pflichten hier …«
»Crón scheint nichts dagegen einzuwenden zu haben.« Fidelma glaubte, sie verdrehe damit nicht die Tatsachen. »Oder hast du andere Gründe, die dich daran hindern?«
»Warum willst du unbedingt zu Gadra? Selbst wenn er noch lebt, muß er schon sehr alt sein. Was soll er denn wissen, was dir bei deiner Untersuchung nützt?«
»Das ist meine Sache, Dubán, nicht deine«, erwiderte sie bestimmt.
»Wann wollt ihr aufbrechen?« fragte Dubán
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