Der Tote am Steinkreuz
große.
Sie seufzte innerlich und wog in Gedanken die Aussagen gegeneinander ab, die sie bisher gehört hatte, doch schließlich wurde ihr klar, daß sie nichts erreichen konnte, bevor Gadra nicht herausgefunden hatte, was Móen wußte. Sie wollte möglichst schnell in den rath zurückkehren und erfahren, was Móen zu sagen hatte. Ungeduld war, das wußte sie, ihr größter Fehler. Sie gab Eadulf recht, wenn er ihr Reizbarkeit und Ruhelosigkeit vorhielt, doch meinte sie, ein unruhiger Geist sei wenigstens ein Beweis, daß man am Leben war.
Plötzlich zügelte Dubán sein Pferd und hob die Hand. Mit schräg gehaltenem Kopf lauschte er nach vorn.
Sie hielten an, und Dubán machte ihnen ein Zeichen, sie sollten absitzen.
»Was ist?« flüsterte Fidelma.
»Mehrere Pferde mit schweren Hufeisen«, erwiderte Dubán ebenso leise, »und Reiter, die sich keine Mühe geben, vorsichtig zu sein. Hört mal!«
Sie spitzte die Ohren und vernahm tatsächlich entfernte Stimmen, die einander zuriefen.
Dubán spähte umher.
»Rasch«, befahl er leise, »wir führen die Pferde in den Wald. Hier hindurch«, wies er mit der Hand, »da sind Felsen, hinter denen wir uns verbergen können.«
Fidelma schluckte ihre Fragen herunter. Wenn ein erfahrener Krieger solche Anweisungen gab, mochte sie nicht widersprechen.
Sie folgten ihm so leise und so schnell wie möglich durch das Unterholz zu der Felsgruppe, die er ihnen gezeigt hatte. Eadulf und Gadra hielten die Pferde, während Dubán und Fidelma am Rand der Felsen knieten und den Weg beobachteten.
Die Geräusche einer Reiterschar waren nun deutlich vernehmbar. Das lärmende Gelächter und die Rufe der Reiter bewiesen, daß sie keine Gefahr auf ihrem Weg durch den Wald fürchteten.
Fidelma sah Dubán von der Seite an. Der Krieger spähte mit zusammengekniffenen Augen nach vorn. Er war sichtlich beunruhigt.
»Was macht dir Sorge?« flüsterte sie. »Die Wälder gehören zu Araglin, und du bist der Kommandeur der Leibgarde des Fürsten. Warum verstecken wir uns?«
Dubán antwortete leise aus dem Mundwinkel: »Ein Krieger lernt, niemals mit beiden Füßen zu probieren, wie tief ein Fluß ist. Hör mal.«
Fidelma lauschte dem Trappeln der näher kommenden Pferde.
»Ich bin kein Krieger, Dubán. Was hörst du?«
»Ich höre das Klappern von Pferderüstungen, Schwerter, die gegen Schilde schlagen, und den Klang schwerer Hufeisen. Die Reiter sind bewaffnet. Wenn ich einen Jagdhund im Schafstall finde, versuche ich zuerst einmal festzustellen, ob den Schafen Gefahr droht.«
Er machte ihr ein Zeichen, still zu sein.
Durch das Unterholz und die Bäume, die zwischen ihnen und dem Weg standen, konnten sie Gestalten ausmachen. Es waren ungefähr ein Dutzend Reiter, die lässig ihres Weges zogen. Einige trugen leichte Mäntel und Schilde am Arm, andere lange Lanzen.
Die letzten der Schar führten an Leitzügeln ein halbes Dutzend Esel mit sich, stämmige Lasttiere, an deren Seiten offensichtlich schwerbeladene geschlossene Tragkörbe hingen.
Daß die Reiter nichts davon ahnten, daß sie beobachtet wurden, erkannte man an dem lauten, groben Gelächter, mit dem sie die zotigen Witze über einen von ihnen begleiteten.
Fidelma kniff die Augen zusammen. Ganz zum Schluß, noch hinter den Packeseln, ritt ein Mann ohne Mantel. Über der einen Schulter hing ihm ein Bogen, die andere war bandagiert, und den Arm trug er in einer Schlinge.
Sie holte tief Luft.
Dubán und Fidelma warteten schweigend, bis die Reiter außer Hörweite waren. Dann erhoben sie sich langsam und gingen zurück zu Eadulf und Gadra.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Eadulf sofort. »Warum verstecken wir uns vor diesen Reitern?«
Dubán strich sich nachdenklich über seinen schwarzen Bart.
»Ich glaube, das sind die Viehdiebe, die die Bauernhöfe von Araglin unsicher machen.«
»Woher weißt du das?« fragte Fidelma.
»Ich sah gut bewaffnete Männer, die fremd sind in diesem Tal. Warum sind sie hier? Wir wissen, daß Bewaffnete einige unserer Bauernhöfe überfallen haben. Ist es nicht logisch, daß sie es waren?«
»Es hört sich logisch an«, gab Eadulf widerwillig zu.
»Wenn es Viehdiebe sind, warum führen sie dann die schwerbeladenen Esel mit? Und wohin wollen sie?«
»Dieser Weg führt nach Süden aus den Tälern heraus zur Küste. Von hier aus kann man in kurzer Zeit nach Lios Mhór oder Ard Mór gelangen«, erklärte Gadra.
»Kann man auf diesem Weg Lios Mhór schneller erreichen als auf dem, der an
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