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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sie »Kind« nannte.
    »So ist es.«
    »Was willst du von mir?«
    »Móen wurde an Ebers Leiche angetroffen mit einem blutigen Messer in der Hand.«
    Zum erstenmal wurde das stille Lächeln im Gesicht des Alten von Verblüffung überschattet. Doch dieser Ausdruck verschwand sofort wieder. Er hatte sich großartig unter Kontrolle.
    »Meinst du damit, daß Móen Eber ermordet haben soll?« fragte er leicht beunruhigt.
    »Er wird des Mordes beschuldigt«, bestätigte Fidelma.
    »Wenn ich nicht im Laufe meines langen Lebens so vieles erlebt hätte, würde ich sagen, der Junge ist nicht in der Lage, jemandem das Leben zu nehmen.«
    Fidelma beugte sich vor.
    »Verstehe ich dich richtig? Meinst du, daß er den Mord begangen haben kann?«
    »Unter besonderen Umständen kann auch der fügsamste Mensch zum Mord getrieben werden. Móen ist der fügsamste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    »Als fügsam bezeichnen ihn die anderen nicht«, erwiderte Fidelma.
    Gadra seufzte leise.
    »Glaub mir, der Junge ist eine sensible, stille Natur. Ich weiß das, denn ich habe ihn von seinen Kindertagen an aufwachsen sehen. Teafa und ich haben ihn alles gelehrt, was er weiß.«
    Fidelma schaute den Alten eine Weile an.
    »Ihr habt ihn gelehrt? «fragte sie mit Betonung.
    »Das habe ich gesagt. Was erwidert er auf diese Anklage? Was sagt Teafa dazu?«
    »Móen ist taubstumm und blind. Wie könnte er uns etwas mitteilen?«
    Gadra schnaubte ungeduldig.
    »Über Teafa natürlich. Er verständigt sich über Teafa. Was meint sie dazu?«
    »Ach …«, seufzte Fidelma und bedauerte, daß sie nicht alles gesagt hatte.
    »Ist Teafa etwas zugestoßen? Ich lese das in deiner Miene.«
    »Ja. Teafa ist tot.«
    Gadra saß ganz steif und still da.
    »Ich werde für ihre gute Wiedergeburt in der anderen Welt beten«, sagte er leise. »Sie war eine gütige Frau mit einer großen Seele. Wie starb sie? Hat Eber sie getötet? Hat der Junge zugeschlagen, um Teafa zu verteidigen?«
    Fidelma schüttelte den Kopf und versuchte die wirbelnden Gedanken zu ordnen, die die Worte des Alten in ihr ausgelöst hatten.
    »Móen wird beschuldigt, auch Teafa getötet zu haben, er soll erst sie erstochen haben und dann zu Ebers Wohnung gegangen sein und ihn erstochen haben.«
    »Kann das wahr sein?«
    Trotz seiner großen Selbstdisziplin und Beherrschung wirkte Gadra spürbar erschüttert.
    »Die Anklage lautet so. Ich bin hergekommen, um herauszufinden, was wirklich vorgefallen ist.«
    »Was du da erzählt hast, kann nicht wahr sein«, erklärte Gadra entschieden. »Wenn ich mir auch vorstellen kann, daß Móen, hinreichend gereizt, sich gegen Eber wenden würde, so würde er doch niemals die Hand gegen Teafa erheben. Teafa ist ihm eine Mutter gewesen.«
    »Es ist schon vorgekommen, daß ein Sohn seine Mutter getötet hat«, warf Eadulf ein.
    Gadra ignorierte ihn.
    »Hat sich seit Teafas Tod jemand mit Móen verständigen können?«
    Fidelma schüttelte den Kopf.
    »Man hat mir erklärt, nur Teafa habe sich mit Móen verständigen können. Niemand wußte, wie. Er kann nicht hören, er kann nicht sehen, und er kann nicht sprechen.«
    Gadra schaute traurig drein.
    »Es gibt andere Verständigungsmittel. Der Junge kann tasten, er kann riechen, er kann Schwingungen spüren. Wenn das Schicksal uns einiger unserer Sinne beraubt, können wir andere stärker entwickeln. Also hat sich niemand mit ihm verständigt seit diesen schrecklichen Ereignissen?«
    »Ich schaffte es nicht. Deshalb bin ich hier. Ich habe gehört, du wüßtest, auf welche Weise man sich mit ihm verständigen kann.«
    »Das stimmt. Wie ich schon sagte, ich habe mit Teafa zusammen den Jungen unterrichtet. Ich muß sofort mit dir zum rath von Araglin und mit ihm sprechen«, sagte der Alte mit Entschiedenheit.
    Fidelma war überrascht. Sie hatte auf seinen Rat gehofft, doch nicht zu denken gewagt, der alte Mann würde darauf bestehen, selbst zum rath mitzukommen.
    »Wenn du das fertigbringst, dann glaube ich bedingungslos an alle Wunder.«
    »Es ist möglich«, versicherte ihr Gadra düster. »Der arme Móen. Kannst du dir vorstellen, was es für jemanden bedeuten muß, in solch einen Körper eingesperrt zu sein, ohne zu wissen, was um einen herum vor sich geht und ohne sich verständigen zu können? Er muß Angst haben und ganz verzweifelt sein, weil er nicht weiß, was geschehen ist.«
    »Wenn er unschuldig ist, macht er Furchtbares durch«, gab Eadulf zu. »Aber es muß doch noch jemand außer Teafa im rath gewußt

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