Der Tote am Steinkreuz
nicht, von denen du sprichst.«
Er begriff, daß dies eine lahme Entschuldigung dafür war, daß er keine Vorschläge zu machen hatte. Fidelma war das auch so klar, und sie schwieg.
Als sie das Haupttal erreichten, schlug Dubán den Weg von dem Bergpfad durch die bestellten Äcker zu Muadnats Hof ein. Beinahe sofort sahen sie, wie ein paar Landarbeiter dem Hof zueilten. Offensichtlich hatte man sie gesehen. Eine bekannte Gestalt tauchte auf. Es war Agdae, Muadnats Neffe und Oberhirt.
Breitbeinig, mit den Händen auf den Hüften, stand er auf dem Weg und sah ihnen entgegen. Einige seiner Leute hatten sich bewaffnet und kamen in drohender Haltung näher.
»Empfängt man so Besuch, Agdae?« rief Dubán, als sie heran waren.
»Du kommst mit Bewaffneten hierher«, erwiderte Agdae ungerührt. »Meinst du es gut oder schlecht mit uns? Das müssen wir wissen, bevor wir unsere Waffen niederlegen und euch als Brüder begrüßen.«
Dubán parierte sein Pferd vor Agdae.
»Die Antwort solltest du kennen«, sagte er.
Agdae gab seinen Leuten das Zeichen, die Waffen zu senken und sich zu zerstreuen.
Mit einem heuchlerischen Lächeln wandte er sich an Dubán: »Was sucht ihr denn hier?«
»Wo ist dein Onkel Muadnat?« wollte Dubán wissen.
»Ich habe keine Ahnung. Während er fort ist, führe ich hier die Aufsicht. Was wollt ihr von ihm?«
»Archús Hof ist überfallen worden.«
Einen Moment zuckte es in Agdaes Gesicht.
»Nun soll ich wohl Mitleid mit Archú haben, nachdem er Muadnat um das Land betrogen hat?«
Fidelma wollte sich einschalten, doch Dubán hob die Hand.
»Siehst du die Rauchsäule dort hinter dem Berg?« fragte er.
»Die sehe ich«, erwiderte Agdae gelassen.
»Du siehst sie und hältst es doch nicht für nötig, Archú zu Hilfe zu kommen? Wir sind eine kleine Gemeinschaft hier in den Tälern von Araglin, Agdae. Ein Angriff auf einen unserer Höfe ist ein Angriff auf uns alle. Seit wann verweigern die Männer von Araglin einander die Hilfe?«
Agdae zog die Schultern hoch und ließ sie mit übertriebener Gleichgültigkeit fallen.
»Woher sollte ich wissen, daß der Rauch bedeutete, daß der Junge überfallen wurde?«
»Das hätte dir der Rauch selber sagen müssen«, warf Fidelma rasch ein.
Agdae sah sie finster an.
»Tut mir leid, aber ich habe es nicht gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen wie du, dálaigh, oder verborgene Dinge zu entdecken. Für mich bedeutet Rauch nichts weiter als Rauch. Archú hätte ja auch Felder abbrennen können, um das Stroh loszuwerden. Wenn ich jedesmal losgerannt wäre, um zu sehen, was es gibt, wenn ich ein Feuer auf Bauernland sichtete, dann hätte ich mein halbes Leben damit verbracht. Außerdem, wenn ich zu Archú gegangen wäre, der hochstehende Freunde in juristischen Kreisen hat, hätte es mir passieren können, daß ich ihm noch eine Entschädigung für unbefugtes Eindringen hätte zahlen müssen.«
»Eine glatte Zunge bringt einen oft zu Fall«, fauchte Fidelma, die merkte, daß Agdae auch ironisch werden konnte. »Aber nachdem du nun gehört hast, daß ein Überfall stattgefunden hat, wirst du uns vielleicht verraten, wo Muadnat sich aufhält.«
Agdae grinste sie an und schwieg.
Dubán wiederholte die Frage in schärferem Ton.
»Was soll ich euch sagen? Muadnat ist nicht hier.«
»Aber wo ist er?« beharrte Dubán. »Wohin ist er gegangen?«
»Ich kann euch weiter nichts sagen, als daß er gestern auf die Jagd geritten ist, und wenn er wieder da ist, dann ist er wieder da.«
»Welche Richtung hat er eingeschlagen?« fragte Dubán hartnäckig.
Agdae zuckte die Achseln.
»Wer kann wissen, in welche Richtung der Falke fliegt, wenn er Beute sucht?«
»Sehr schön gesagt.« Fidelma war verärgert. »Hoffen wir, daß der Falke nicht ein paar Adlern begegnet.«
Agdae starrte sie verblüfft an und versuchte den Hintersinn ihrer Worte zu ergründen.
»Muadnat kann sich seiner Haut wehren«, meinte er.
»Daran zweifle ich nicht«, versicherte ihm Fidelma. »Sind alle eure Landarbeiter da?«
»Soviel ich weiß, ja.« Agdae ging plötzlich auf ihre Fragen ein. »Was meinst du damit?«
»Auf Archús Hof wurde jemand getötet, den wir nicht kennen. Von den Räubern getötet.« Dubán beschrieb den Mann.
»Alle unsere Männer sind hier außer Muadnat«, erklärte Agdae. »Er ist es ja wohl nicht, sonst würdet ihr nicht nach ihm suchen.«
»Also Muadnat jagt in den Bergen?«
»So wie ich gesagt habe.«
»Laß deine Männer hier vor mir antreten,
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