Der Tote am Steinkreuz
daß man ihm schwere Verletzungen zugefügt hatte, als er noch lebte.
Der eine Landarbeiter, der gerade eine Leiter an die Rückseite des Kreuzes stellen wollte, bemerkte plötzlich das Herannahen der beiden Reiter, hielt inne und sagte leise etwas zu seinen beiden Gefährten. Sie drehten sich um und sahen Fidelma und Eadulf feindselig an.
Crítán trat ihnen hochmütig entgegen.
»Ihr seid hier nicht willkommen«, begrüßte er sie.
Ungerührt parierte Fidelma ihr Pferd und stieg ab.
»Wir haben auch nicht um ein Willkommen gebeten«, antwortete sie ruhig.
Eadulf saß ebenfalls ab und band sein Pferd mit Fidelmas zusammen.
Crítán stand mit den Händen in den Hüften da. Er starrte Fidelma wütend an. Er würde es ihr nie verzeihen, daß sie ihn gedemütigt hatte. Jetzt ließ er seinem Zorn freien Lauf.
»Es wäre besser, wenn du verschwindest, Frau. Zweimal hast du Archú bei seiner Fehde gegen Muadnat geholfen. Jetzt siehst du, wohin das geführt hat. Diesmal kommt Archú wieder davon. Es wird dir auch nicht gelingen, dieses Teufelsgeschöpf freizubekommen, nachdem es Eber und Teafa ermordet hat.« Sein Ton war so drohend wie seine Worte.
Fidelma stand anscheinend unbesorgt da, die Hände sittsam vor sich gefaltet, sie lächelte den jungen Mann sogar an.
»Ich bin Anwältin bei den Gerichten der fünf Königreiche, Crítán«, sagte sie freundlich. »Wagst du es, mich zu bedrohen?«
Arroganz und Unerfahrenheit verdrängten sogar Crítáns angeborene Verschlagenheit. Er schob das Kinn vor.
»Hier ist Araglin, Frau. Hier hast du weder den Schutz deiner Kirche noch den der Krieger deines Bruders.«
Beunruhigt sah er, wie Fidelma noch breiter lächelte.
»Ich brauche sie nicht, um mich hier durchzusetzen«, erwiderte sie.
Die beiden Landarbeiter standen unschlüssig da und überließen Crítán das Reden. Der mit der Leiter schien zu begreifen, daß der junge Krieger mit seinen Drohungen wohl zu weit gegangen war. Er setzte die Leiter ab und trat vor.
»Es stimmt, daß du hier nicht erwünscht bist, Schwester«, sagte er in etwas respektvollerem Ton. »Unser Verwandter«, er wies mit dem Daumen über die Schulter zum Kreuz, »ist ermordet worden, und wir wissen, wer dafür zu bezahlen hat. Du solltest dich um deine eigenen Dinge kümmern.«
»Ihr habt euch anscheinend schon entschieden, wen ihr für Muadnats Tod bestrafen wollt, ob er nun schuldig ist oder nicht«, bemerkte Eadulf trocken. »Wäre es nicht besser, damit zu warten, bis der wahre Schuldige gefunden ist?«
»Niemand hat dir gesagt, daß du dich hier einmischen sollst, Angelsachse«, fuhr ihn Crítán an. »Jetzt haut ab, alle beide. Ich kann euch nur warnen.«
Fidelmas Mundwinkel zogen sich zu einer fast wehmütigen Miene herab. Das war immer ein gefährliches Zeichen, doch nur Eadulf wußte es. Sie hatte bemerkt, daß der junge Mann seine Worte mühsam wählte, sein Gesicht gerötet war, seine Augen glänzten und seine Gesten fahrig waren. Bei näherem Hinsehen war ihr klar geworden, daß er sich an diesem Morgen Mut angetrunken hatte.
»Ich will dein schlechtes Benehmen übersehen, Crítán, und diesmal noch deine Jugend und deine Unerfahrenheit berücksichtigen. Jetzt möchte ich Muadnats Leiche untersuchen, und ich tue das kraft meines Amtes.«
Mit drohenden Worten hatte Crítán nichts erreicht, und das verblüffte ihn. Hilfesuchend sah er die beiden Landarbeiter an. Sie schauten verlegen zu Boden. Crítán merkte, daß er sich erneut vor anderen blamierte.
»Dies sind Verwandte Muadnats«, erklärte er störrisch. »Wir werden dir nicht gestatten, das Gesetz zu verdrehen, damit Archú unserer Gerechtigkeit entgeht.«
»Sind sie denn Zeugen des Mordes gewesen?« fragte Fidelma und zeigte plötzlich mit dem Finger auf den, der etwas vernünftiger mit ihr gesprochen hatte: »Du da, hast du gesehen, wie Archú Muadnat umbrachte?«
Der Mann wurde rot.
»Nein, natürlich nicht, aber …«
»Und du?« fuhr Fidelma den zweiten Mann an.
»Wer sonst als Archú würde so was machen?« erwiderte er trotzig.
»Wer sonst? Verlangt nicht das Gesetz, das zu untersuchen, bevor ihr Rache nehmt an einem, der vielleicht unschuldig ist?«
Crítán mischte sich mit höhnischem Lachen ein.
»Du kannst gut mit Worten umgehen, Frau. Aber wir haben jetzt genug von Worten. Verschwinde von hier, ehe ich dir Beine mache.« Er legte die Hand ans Schwert. Die Geste war eindeutig.
Eadulf, rot vor Zorn, trat entschlossen vor, doch Fidelma hielt ihn
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