Der Tote am Steinkreuz
ich noch nie gehört.«
»Den findest du in unseren Gesetzen«, erklärte ihm Fidelma. »Nach unserer alten Einteilung gilt als der beste Boden eines Hofes derjenige, auf dem drei Pflanzen wachsen, die sich durch ihre großen Wurzeln auszeichnen: die Distel, das Kreuzkraut und die wilde Möhre. Ist der Acker so gut, daß sie darauf wachsen, dann wird er am höchsten eingeschätzt und gilt als besonders fruchtbar.«
Eadulf schüttelte verwundert den Kopf.
Fidelma wandte sich wieder an Archú.
»Der Berg gehört also mit zum Hof, sagst du?«
»Er ist der Teil des Hofes, der als Axtland bezeichnet wird. Wenn auf dem Berg etwas anderes wachsen soll als Bäume und Ginster, dann müßte er mit großem Aufwand gerodet werden.«
»Er gehört jedenfalls zu deinem Hof?«
»O ja. Das würde nicht einmal Muadnat bestreiten.«
»Ich verstehe. Kennst du den Berg gut?«
»Ich kenne ihn.«
»Kennst du ihn wirklich ganz genau?«
Archú lehnte sich sichtlich verwirrt zurück.
»Weshalb sollte ich ihn mir besonders gründlich ansehen?«
»Er grenzt an deine Äcker und ist ein Teil deines Landes.«
»Ich habe den Hof gerade erst in Besitz genommen, wie du weißt, Schwester. Wann hätte ich da Zeit dafür haben sollen, die Berge rundherum zu untersuchen?«
»Und als du Kind warst?«
»Als Kind?« Er schüttelte den Kopf. »Als Kind bin ich auch nicht auf dem Berg gewesen.«
»Weißt du etwas von Höhlen in diesem Gebiet?«
Archú verstand das als einen Themenwechsel. Er zuckte die Achseln.
»Ich habe davon gehört, daß es nördlich von hier Höhlen geben soll. Meine Mutter hat mir von der Höhle der Grauen Schafe erzählt. Aus der soll einmal ein graues Lamm herausgekommen sein, und ein Bauer zog es auf. Es wuchs zum Schaf heran und hatte selbst Lämmer. Aber eines Tages schlachtete der Bauer eins dieser Lämmer, und das Schaf nahm seine übrigen Lämmer und verschwand mit ihnen in der Höhle. Man hat nie wieder etwas von ihnen gesehen.«
»Und Bergwerke? Hast du jemals von Bergwerken in dieser Gegend gehört?« fragte Fidelma ungeduldig.
Archú dachte nach, doch dann schüttelte er den Kopf.
»Vielleicht gibt es welche, aber ich könnte dir keins nennen. Warum willst du das wissen?«
»Wir fanden …«, begann Eadulf, verstummte aber sofort, als er unter dem Tisch einen kräftigen Tritt von Fidelma erhielt. Er verzog das Gesicht vor Schmerz.
Archú und Scoth sahen ihn überrascht an.
»Wir fanden, daß wir gern etwas mehr über die Umgebung des Hofes wüßten«, nahm Fidelma den Satz auf. »Du scheinst heftige Schmerzen zu haben, Bruder. Habe ich dich nicht gewarnt, daß der Cider sehr stark ist?«
»Schon gut«, murmelte er. »Mir tut vom vielen Laufen der Fuß weh.«
»Es war ein langer Tag, und wir haben noch nichts gegessen. Wir sollten zum rath zurückkehren.«
»Ihr könnt doch mit uns essen«, lud Scoth sie ein.
Bedauernd schüttelte Fidelma den Kopf.
»Leider geht das nicht. Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, kommen wir erst nach Sonnenuntergang dort an, und um die Zeit sollte man nicht mehr auf unbekannten Pfaden unterwegs sein.«
Sie verabschiedeten sich und traten den Rückweg nach Araglin an.
»Du brauchtest mich nicht so grob zu treten, Fidelma«, beklagte sich Eadulf schmollend. »Du hättest es mir doch sagen können, daß die jungen Leute nicht wissen sollten, was wir hinter dem Berg entdeckt haben.«
»Es tut mir leid, Eadulf. Aber es ist besser, wenn wir das vorerst noch für uns behalten. Es ist doch offensichtlich, daß jemand dieses Bergwerk geheimhalten will. Da es auf Archús Land liegt, lautet die logische Folgerung, daß Muadnat versuchte, das Bergwerk zu betreiben, ohne daß jemand etwas davon merkte, besonders Archú nicht. Der Weg zum Bergwerk geht ja von seinem Land aus. Also haben wir vielleicht durch Zufall den wahren Grund erfahren, weshalb Muadnat sich so verzweifelt bemühte, das Eigentum seines Vetters an sich zu bringen?«
Eadulf stieß einen leisen Pfiff aus.
»Ich verstehe. Muadnat wollte das Land behalten, damit er das Bergwerk ausbeuten konnte.«
»Ein Bergwerk gehört dem, auf dessen Land es liegt. Er muß die Erlaubnis erteilen, wenn jemand anders es betreiben möchte«, erklärte Fidelma.
»Ja, aber das bringt uns der Lösung des Rätsels um den Mord an Eber und Teafa nicht näher.«
»Vielleicht nicht. Aber es ist schon seltsam, daß Menma immer wieder in diesem Rätsel auftaucht und …«
Sie hielt so plötzlich an, daß Eadulf dachte, sie habe eine neue
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