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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Gedanken machen. So etwas kann geschehen, wenn auch das Ergebnis genauso schrecklich wäre. Mit dem Eiskeller ist es etwas anderes. Niemand außer uns und den Malthus’ hat dort Zugang.»
    «Und die Soldaten», erinnerte Rosina, «am unauffälligsten die, die bei der Mine Wache stehen.»
    «Genau!» Über Annes Gesicht flog ein Strahlen, und Rosina lachte. Endlich lachte sie.
    «Jetzt weiß ich, was du mich fragen willst. Ich muss dich enttäuschen. Das Theater steht zwar nahe beim Wall, ab und zu streichen auch einige der Rotröcke hier herum, weil sie hoffen, eine von uns beim Umkleiden zu sehen, oder denken, Komödiantinnen sind leichte Beute. Aber seit sie gemerkt haben, dass wir noch nicht spielen und ihre Schmeicheleien unbeachtet lassen – nun ja, fast unbeachtet,Manon ist nicht mit der Charakterstärke gesegnet, die sich ihre Eltern für sie wünschen   –, seitdem sehen wir sie kaum noch. Jedenfalls nicht von nahem. Und wenn du denkst, wir pflegen Bekanntschaften mit ihnen, irrst du.»
    Nun war es an Anne, sich zu amüsieren. «Du machst ein Gesicht und hörst dich an wie Mamsell Thea oder die würdige Madame Bocholt, sobald das Thema Soldaten heißt. Das ist kurios, Rosina. Als Komödianten werdet ihr immer noch als unehrlich beargwöhnt, den Stadtsoldaten, zumindest den Gemeinen und Unteroffizieren, geht es in dieser Stadt doch ganz ähnlich. Aber du hast Recht, so etwas hatte ich gehofft. Ich finde solche Bekanntschaften nicht im geringsten ehrenrührig, es kommt nicht auf die Uniform an, sondern auf den Mann, der darin steckt. Allerdings gebe ich zu, dass wir außer dem Stadtkommandanten und einigen seiner Offiziere auch nie einen zu Gast hatten. Und Viktor Malthus natürlich.»
    Rosina sah einer Sperlingsgroßfamilie zu, die vor ihnen im Sand badete, ein Hund, ein struppiger Kerl mit eingerissenem Ohr, schoss heran, und die Vögel flatterten eilig auf und davon.
    «Du hast mich ertappt», sagte sie endlich. «Ich habe mich auf ein zu hohes Ross gesetzt. Du möchtest also, dass ich mich unter den Soldaten umhöre? Eigentlich hatte ich beschlossen, solche Eskapaden künftig Manon zu überlassen, obwohl ich nicht glaube, dass Gesine und Rudolf davon begeistert wären. Aber wenn wieder einer um das Theater schleicht, will ich es versuchen. Ein süßer Blick, ein Wiegen in den Hüften – und schon erzählen sie alles, was man nur hören will. Und einiges mehr.»
    «Das wäre ein wahrhaft selbstloser Einsatz, Rosina, sei meiner Dankbarkeit gewiss. Auch wenn ich glaube, dass diese Komödie dir bei allem Misstrauen gegen rote Röckeimmer noch großen Spaß macht, war meine Erwartung bescheidener. Ihr esst doch oft im
Bremer Schlüssel
zu Abend, da könntest du einfach Augen und Ohren offen halten. Nur ein bisschen mehr als sonst. Sicher sitzen dort hin und wieder auch Soldaten bei einem Krug Bier.»
    Nun war es an Rosina, sich zu amüsieren. «Das tue ich doch sowieso, Anne. Argwohn hat meine Neugier schon immer beflügelt. Im Übrigen trinken sie meistens Branntwein und   …»
    Plötzlich hob sie die Hand und beugte sich vor. Sie hatte sich nicht geirrt, als sie das Knacken eines zerbrechenden trockenen Zweiges hörte. Sie sah gerade noch den letzten Zipfel eines weinroten Rockes mit cremefarbenen Streifen um die Ecke des Hauses verschwinden.
    «Was ist los?», flüstert Anne erschreckt.
    «Nichts von Belang. Ein Mord in der Nachbarschaft macht mich nervös, sogar am Vormittag auf einem lichten Platz. Ich glaube, jemand hat uns belauscht.»
    «Das beunruhigt dich? Wer immer es war, er wird enttäuscht sein. Was wir besprochen haben, ist kein Geheimnis.»
    ‹Sie›, dachte Rosina, ‹sie wird enttäuscht sein›, und war nicht sicher, ob Anne Recht hatte. «Warum überlässt du die Schnüffelei eigentlich nicht unserem Weddemeister, Anne? Er hat es gar nicht gern, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht.»
    «Das fragst gerade du?» Anne lehnte sich zurück an die sonnenwarme Wand und verschränkte fröhlich die Hände hinter dem Kopf, nur für den Moment, bis ihr einfiel, dass dies in der Öffentlichkeit keine angemessene Haltung für eine Madame Herrmanns war. Schon lagen die Hände wieder ordentlich gefaltet in ihrem Schoß. «Wie oft hatte Wagner es dir zu verdanken», erinnerte sie, «dass er seinemWeddesenator und einmal sogar einem Londoner Richter melden konnte, der Dieb oder Mörder sei gefasst. Ich glaube, dass Wagner inzwischen gar nichts mehr gegen unsere Neugier hat, solange wir ihm die

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