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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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verlassen. Was, so lange ich mich zurückerinnern kann, beides noch nie geschehen ist.» Wagners rundes Gesicht vorzog sich in besorgter Missbilligung. «Ich wollte, es wäre geschehen. Dann würden die Männer auf den Wällen aufmerksamer sein, anstatt Würfel zu spielen oder im Stehen zu schlafen.»
    Deshalb, kam er endlich auf Rosinas Frage zurück, habe niemand beobachtet, wie Malthus in die Mine ging. Jedenfalls niemand von den Wachen. Von einigen der umliegenden Häuser sei der Eingang zur Mine zu sehen, besonders aus den oberen Etagen, Grabbe, sein Weddeknecht, sei gerade unterwegs, die Leute zu befragen. Allerdings wage er nicht auf verlässliche Zeugen zu hoffen. Es sei dunkel gewesen, der Sturm schon nah, und in solchen Angelegenheiten verschlössen die Menschen überhaupt gerne die Augen. Selbst bei Tag und ruhigem Wetter.
    «Welche Wachen stehen nachts auf Eberhardus und Joachimus?», fragte Anne rasch, bevor Wagner seine Meinung über die Menschen an sich und in Wedde-Angelegenheiten im Besonderen weiter ausführen konnte. «Die Soldaten der Garnison oder Männer von der Bürgerwache?»
    «Auf Joachimus patrouilliert nachts die Bürgerwache, wie in allen Nächten auf den meisten der Bastionen. Eberhardus wird ständig von der Garnison bewacht, auch nachts, gewöhnlich von einem Gefreiten und neun Gemeinen. Nur auf Didericus und Vincent, den beiden Bastionen am Durchfluss der Alster, stehen mehr bewaffnete Männer, und auf den Bollwerken bei der Hafeneinfahrt. Natürlichauch bei den Toren, da besonders, und den Außenposten wie der Sternschanze oder auf dem Hamburger Berg vor Altona.»
    «Hm», sagte Anne, und Rosina fragte: «Was heißt hm?»
    «Es heißt, dass meine Frage nicht weiterhalf. Die Bürgerwache wird, wie der Name sagt, von den Bürgern gestellt, von allen Männern, die das Bürgerrecht haben. Dabei ist die Liste der Freigestellten lang, sie reicht von den Ratsherren und Syndici über die Geistlichkeit und die Professoren bis zu den Küstern, Zollschreibern und den Aufsehern des Zuchthauses. Wer es sich leisten kann, darf einen Lohndiener an seiner statt schicken. Ich fürchte, inzwischen stehen mehr Lohndiener auf den Wällen Wache als Bürger. Jeder weiß, dass die Bürgerwache – ich will es vorsichtig ausdrücken – ihre Pflichten nicht ganz so ernst nimmt wie die Soldaten.»
    «Das bedeutet trotzdem», überlegte Rosina, «die Stadt wird nach Einbruch der Dunkelheit von Nachtwächtern, Soldaten und von bewaffneten Bürgern bewacht. Es ist erstaunlich, wenn in den Straßen trotzdem so viel passiert.»
    «Gar nicht erstaunlich», widersprach Wagner, der hinter Rosinas Bemerkung Kritik argwöhnte. Er gehörte keiner dieser Gruppen an, gleichwohl fühlte er sich ihnen verbunden. Als Weddemeister war er ebenso, wenn auch in anderen Belangen, für die Sicherheit verantwortlich. «Die Stadt ist groß, voller dunkler Gassen und Höfe, und die Menschen, nun ja, der Mensch an sich ist nicht gut.»
    «Und viel zu oft arm und hungrig», gab Rosina zurück. «Das wisst Ihr besser als ich, Wagner.»
    Für einen Moment herrschte dieses unbehagliche Schweigen, das auch zwischen einander gewogenen Menschen entstehen kann, wenn ein heikler Punkt berührt wird. Vielleicht war die Frage nach anderen ungelöstenVerbrechen nicht der tauglichste Weg, es zu durchbrechen, leider fiel Anne nichts Besseres ein.
    «Wir alle wissen, Ihr tut Euer Bestes, lieber Wagner», schmeichelte sie, «und Eure Erfolge bestätigen uns darin alle Tage. Befriedigt noch einmal meine Neugier: Denkt Ihr, Oberleutnant Malthus ist ein Opfer der gleichen Bande geworden, die diese beiden seltsamen Überfälle verübt hat?»
    «Diese beiden   …» Wagners Schultern sackten herab, sein Gesicht verzog sich kummervoll. «Ihr habt also noch nicht davon gehört? Sehr erstaunlich. Es sind nun drei, ja, drei Überfälle. Leider. In der vergangenen Nacht wurde Monsieur Müllerjohann zum Opfer, der Zuckermakler, Ihr kennt ihn vielleicht, Madame Herrmanns. Er war auf dem Heimweg vom
Wilden Bär
am Pferdemarkt, von dort ist es nicht weit bis zu seinem Haus. Er hatte auch einen Laternenträger, aber der Nichtsnutz hat sich gleich davongemacht; anstatt die Wache zu holen oder wenigstens ordentlich zu schreien, hat er die Laterne fallen lassen, obwohl sie doch für ihn von einigem Wert sein muss, und ist einfach verschwunden.»
    «Und dann?» Rosina fand den Wert von Laternen im Augenblick nicht bedeutend. «Was ist dann geschehen?»
    «Dann, so

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