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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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zartem weiblichem Einfluss stand, bemühte er sich in Anwesenheit von Damen, zu denen er auch Rosina zählte, um Galanterie. Es würde noch jahrelanger Übung bedürfen, bis er sicher und ohne sich zu verhaspeln durch das Labyrinth gesellschaftlicher Floskeln fand. Tapfer sah er in die Gesichter der beiden Frauen, keine blickte spöttisch.
    «Guten Morgen, Weddemeister», sagte Anne, «nehmt Platz. Für Euch haben wir immer ein – Minütchen.»
    Rosina sah ihn zögern und wusste, dass er nun erst bedenken würde, wohin er sich setzen sollte. Er konnte sich unmöglich einfach neben eine Madame Herrmanns auf den noch freien schmalen Rest der Bank drängen, erstrecht in seinen staubigen Kleidern, die ihres aus teurem indischem Kattun beschmutzen könnten. Sie hatte Wagner in den Jahren ihrer Bekanntschaft schätzen gelernt und nahm seine umständliche Art gelassen hin. An diese überflüssige Unsicherheit, sobald er einem Menschen in teuren Kleidern gegenüberstand, würde sie sich jedoch nie gewöhnen. Sie holte den großen hölzernen Eimer von der Pumpe und stellte ihn umgestülpt vor die Bank.
    «Voilà», sagte sie, «ein Logenplatz für Monsieur Wagner. Ihr kommt gerade recht», fuhr sie mit einem raschen Blick zu Anne fort. «Wir möchten unbedingt hören, was es Neues über den Toten im Eiskeller gibt. Aber zuerst sagt uns, ob Karla wohlauf ist.»
    Nichts tat Wagner lieber, bei diesem vertrauten Thema fand er schnell zu seiner normalen Sprache zurück. Madame Wagner, versicherte er, sei heiter und wohlauf, wie gewöhnlich. Auch habe sie ihre Angewohnheit, in manchen Nächten das Haus zu verlassen und schlafend herumzuwandeln, nahezu abgelegt.
    «Nicht vollständig, nein, leider, aber doch nahezu.» Im Übrigen habe sie ihre Fertigkeiten in der Weißstickerei so vervollkommnet, dass sie kaum noch Zeit für anderes finde. Wenn es so fortgehe, werde sie womöglich bald bessere Einkünfte erzielen als er. Sein Blick verriet, wie wenig ihm diese Aussicht gefiel, und strafte sein stolzes Lachen Lügen.
    Er rutschte unbehaglich auf dem Eimer herum und ließ den Blick über den Platz gleiten, registrierte auch die geöffneten Fenster des Theaters. Das war nicht der richtige Ort für ein vertrauliches Gespräch. Aber die Menschen, die auf der Straße am Wall und über den kleinen Platz zwischen dem Theater und der Häuserreihe gingen, schienen alle in Eile, niemand stand herum, keiner beachtete sie.
    «Neuigkeiten, sagt Ihr?», begann er also. «Da der bedauernswerte Oberleutnant beinahe zu Eurem Haus gehörte, Madame Herrmanns, wisst Ihr schon alles über die Umstände seines Todes. Da gibt es nichts Neues. Er wurde in Eurem und sozusagen seinem eigenen Eiskeller eingesperrt und ist erfroren, ja. Erfrieren mitten in diesem sommerlichen September, das ist ein seltsamer Tod. Er hatte auch eine blutige Schramme am Kopf, an der linken Schläfe. Wahrscheinlich hat der, nun ja, der Unhold ihn heftig gestoßen, Malthus ist gefallen und mit dem Kopf auf das Eis aufgeschlagen. Das würde auch erklären, wieso er sich hat einsperren lassen. Er ist gefallen, vielleicht war er benommen, auf alle Fälle überrascht. Selbst wenn es nur ein Moment war, hat das gereicht, um die Tür von außen zu schließen und ihn einzusperren.»
    «Habt Ihr niemanden gefunden, der gesehen hat, wie und vor allem mit wem er in den Keller ging?», fragte Rosina.
    «Es steht doch immer ein Wachsoldat vor der Mine», ergänzte Anne.
    «Nicht immer, leider. Auch dann nur bis zur Dunkelheit, danach stehen die Wachen nur auf den Bastionen, die Posten in der Stadt sind natürlich immer besetzt, aber auf der Straße am Wall wird nachts nur patrouilliert. An diesem Abend hatte der Wachsoldat seinen Posten vor der Mine noch früher verlassen, weil der Sturm erwartet wurde. Er wohnt mit Frau und vier Kindern bei den Soldatenhütten und musste sein schadhaftes Dach ausbessern, bevor das Unwetter losbrechen und es womöglich davonwehen würde. So war die Mine über geraume Zeit unbewacht. Ein unverzeihlicher Lapsus, ja. Nun sitzt der Soldat im Arrest und wartet auf seine Strafe. Normalerweise», Wagner beugte sich vor und senkte wie zuvor Anne die Stimme,«hätte das niemanden gestört, weil man es von den Bastionen sieht, wenn es tatsächlich jemandem gelänge, den Wassergraben zu durchqueren, den Wall hinauf und über die äußere Brustwehr zu klettern, in die diese Mine mündet, und so unkontrolliert in die Stadt zu schleichen oder sie auf umgekehrtem Weg zu

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