Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
ihn ebenso wenig wie den anderen.
    «Vor einem Jahr», sagte er nun deutlich, «ach was, vor einem halben Jahr noch, wären wir uns schon einig. Jetzt nicht mehr. Die letzte Fahrt hat mir gereicht, ich bleibe an Land und damit Schluss.»
    Der Dritte am Tisch stieß ein meckerndes Lachen aus. Anders als die übrigen drei trugen er und sein Tischnachbar schmal geschnittene Röcke aus leichtem Tuch, sein Gesicht war selbst im Schein der Kerzen blass, trotzdem war unübersehbar, dass er mehr getrunken hatte, als ihm bekömmlich war.
    «Hat ihm gereicht. Hört Ihr, van Meulen? Hat ihm gereicht. Von wegen Maulwurf. Hasenfuß – das ist richtig. Ich hab’s Euch gleich gesagt, hat sich doch schon rumgesprochen. Er hat Schiss vor dem Wal. So isses, so isses. Von wegen besseres Leben.»
    Der Nacken des Schwarzbärtigen versteifte sich, doch er überging die Beleidigung. «Du findet schon einen anderen Harpunier», sagte er zu dem Holländer. «Du bist ein guter Steuermann und achtest auf deine Leute, das weiß jeder. Frag Sörensen, wenn er von seiner Fahrt zurückkommt. Der ist mindestens so gut wie ich.»
    Für einen Moment wurde es still am Tisch. Der Betrunkene, der aussah, als habe er sein Leben lang nichts als ein staubiges Kontor gesehen, rieb sich mit albernem Grinsen das Kinn, van Meulen nahm einen Schluck Bier, endlichsagte der Zweite im besseren Rock: «Stimmt. Sörensen war ein guter Mann. War, leider. Habt Ihr es noch nicht gehört? Er ist dieses Frühjahr über Bord gegangen. Im Sturm vor den Scilly-Inseln. Das ist nicht nur für seine Familie ein Unglück, so erfahrene und zuverlässige Leute gibt es nicht viele.»
    «Besoffen», krähte der andere und ließ wieder sein meckerndes Lachen hören, «war besoffen, der Kerl, ist doch klar. Hat sich übers Rumfass hergemacht, als gerade keiner aufpasste. Das geht am besten bei Sturm, der hat   …»
    «Und Ihr», der Schwarzbärtige griff über den Tisch die Halsbinde seines Gegenübers und zog sie mit einem Ruck zu, «Ihr haltet endlich Euer Maul. Das geht am besten, wenn einem der Hals abgedrückt wird. Was glaubt Ihr, wer Ihr seid? Immer ein Kissen unter dem Hintern und nie weiter als bis nach Neuwerk gekommen und   …»
    «Ruhig, Ermkendorf, ganz ruhig. Lass ihn los.» Van Meulen stand auf und umgriff fest die Schulter des Harpuniers. «Landratten sind gern ein bisschen zu schlau», er warf dem erschreckten Betrunkenen ein verbindliches Lächeln zu, «und Seeleute gern ein bisschen ruppig. Nichts für ungut, Monsieur Schlick.»
    Monsieur Schlick, Erster Schreiber des Kaufmanns und Reeders, für den van Meulen den Harpunier anwerben wollte, sackte schnaufend zurück, rieb sich seinen geröteten Hals und war trotz seiner Trunkenheit, die Männer doch gewöhnlich über ihre Möglichkeiten hinaus mutig macht, klug genug zu schweigen. Und zu erschreckt, das breite Grinsen seines Begleiters, des städtischen Wasserschouts, zu bemerken. Dem machten gewöhnlich die Seeleute Ärger, dass es nun einer der geschniegelten Schreiber war, war mal etwas anderes.
    «Van Meulen hat ganz Recht», sagte er, «Seeleute habenraue Sitten. War nicht böse gemeint, was, Ermkendorf? Und wir machen uns jetzt auf den Weg.» Er legte eine Münze auf den Tisch, packte Schlick unter dem Arm und zog ihn hoch. «Ich bringe Euch nach Hause, zu zweit kommen wir nicht unter die Räder», sagte er, blinzelte van Meulen zu und fuhr fort: «Und wir fallen auch nicht in die Hände von Lumpenpack, das durch die Straßen geistert, um ehrbare Männer Gott näher zu bringen.»
    Was Schlick, den Schreiber, noch mehr erbleichen ließ.
    «Wenn Ihr es Euch anders überlegt, Ermkendorf», sagte der Wasserschout im Hinausgehen, «kommt zu mir. Ich finde immer ein gutes Schiff für Euch.»
    Gleich darauf leerten die drei noch am Tisch sitzenden Männer ihre Bierkrüge, zogen ihre Jacken an und schoben sich, die neugierigen Blicke einiger der Gäste ignorierend, durch die Bänke zur Tür. Das Gesicht des Schwarzbärtigen war für den Moment, als er sich am Wandleuchter vorbeischob, deutlicher zu sehen. Es erschien Rosina nun doch vage bekannt und sie lächelte: Nein, dieses Gesicht erinnerte sie nicht an Magnus, ganz gewiss nicht.
    Als er sich nach seinem jungen Begleiter umsah, dem schweigsamen fünften Mann, traf sein Blick Rosinas. Er ging bis ins Herz und ließ sie die Hitze des Errötens fühlen. Hastig floh sie in den Gedanken, das geschehe einzig aus Scham, weil er sie ertappt hatte, wie sie ihm

Weitere Kostenlose Bücher