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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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haben gesagt, er sei Harpunier. Heißt das, er ist ein Grönlandfahrer?»
    «Meistens. Seit wann wirfst du ein Auge auf Grönlandfahrer, Rosina? Ich dachte, du interessierst dich für feinere Herren, solche, die man in London im Theater trifft.» Jakobsen grinste über sein ganzes rundes Gesicht. «Friss mich nicht gleich», sagte er vergnügt, «ich weiß doch immer alles. Dein Monsieur Vinstedt ist übrigens gar nicht übel, er war zweimal hier, kurz bevor ihr angekommen seid. Also gut, der mit dem schwarzen Bart. Er ist selten hier, aber ich kenne ihn auch schon von früher. Zuletzt war er Harpunier auf der
Fortuna
, die fährt seit Jahren zum Walfang, aber in diesem   …» Er spitzte die Lippen und hob begreifend die Brauen. «Deshalb!», sagte er, «Mademoiselle ist mal wieder mit unserem Weddemeister im Bund. Es geht um das Eis, was? Da bist du auf der ganz falschen Spur, Rosina. Ganz falsch. Stimmt, das war Rutger Ermkendorf, und der ist als Harpunier auf dem Grönlandfahrer gefahren, der schon Anfang September zurückkam, weil so viele Männer verloren gegangen sind, dass kaum noch genug übrig waren, um den Dreimaster zurückzusegeln. Mit achtunddreißig ist die
Fortuna
ausgelaufen, als es nur noch einundzwanzig waren, hat es fast eine Meuterei gegeben, weil der Schiffer nicht umkehren wollte und lieber noch mehr Seelen riskieren. Da war kein guterStern über der
Fortuna
, nicht auf dieser Reise. Die Leute sagen, die hätte längst ins Dock gehört. Und was wäre mit so wenigen Händen bei Sturm passiert? Oder wenn der Wal noch eine der kleinen Schaluppen zerschlagen hätte und nochmal acht Männer ertrunken wären? Rutger hatte nur Glück, der Harpunier sitzt ja ganz vorne im Fangboot. Zwei der anderen Harpuniere hat es erwischt, die liegen jetzt auf dem Grund des Eismeers.»
    «Was noch von ihnen übrig ist», verbesserte Servatius, der Knopfmacher aus der Caffamacherreihe. «Mein Vetter liegt da auch, schon seit Jahren. Wär besser hier geblieben und hätte Knöpfe gemacht, anstatt Fischfutter zu werden. Es ist eine Schande, die Schiffer riskieren viel zu viel. Nur weil ihnen manche Eigner kein Schiff mehr geben, wenn sie mehr als einmal mit zu wenig Fang zurückkommen. Viktor Malthus», seine flinken kleinen Augen sahen sich blitzschnell nach Lauschern um, «der Malthus hatte auch Parten. Anteile an einem Schiff», erklärte er auf Rosinas fragenden Blick. «Weiß der Teufel, wo er das Geld dazu herhatte. Sein Sold wird dazu kaum gereicht haben.»
    «Woher wohl?», schnappte Jakobsen, der sich um nichts in der Welt seine Version der Geschichte wegnehmen lassen wollte. «Von Madame Malthus natürlich, seiner Mutter. Die war doch ganz närrisch mit ihm, seit er wieder in der Stadt war. Außerdem gibt es so kleine Parten, dass sogar ich welche haben könnte. Und jetzt willst du sicher noch behaupten, er hätte seine gerade an der
Fortuna
gehabt, was?»
    «Ich weiß, was ich weiß.» Servatius, der nichts lieber tat, als Gerüchteküchen brodeln zu lassen, zog verschnupft die Mundwinkel herunter, was sein ohnedies kleines Kinn ganz verschwinden ließ. Leider wusste er absolut nicht, ob die Sache mit den Parten stimmte, und noch weniger, anwelchem Schiff Viktor Malthus Anteile besessen haben sollte.
    «Zurück zu Ermkendorf», wandte Jakobsen sich wieder Rosina und dem Rest der Gesellschaft zu, denn längst waren alle anderen Gespräche am Tisch verstummt. «Es stimmt auch, dass der Pott mit dem Bauch voll Eis zurückgekommen ist, ist doch klar, wo sie so wenig Walspeck hatten. Stimmt auch, dass die Leute von der
Fortuna
Eis in den Keller gebracht haben, in dem der junge Malthus erfroren ist. Aber Rutger ist   …» Jakobsen stützte das Kinn in die Hände und überlegte. «Nein», sagte er dann entschieden, «der Ermkendorf ist tüchtig und ehrlich, ist er immer gewesen. Aufbrausend, als er jünger war, das schon. Das sind doch alle, wenn sie jung sind. War ich auch. Aber so was? Nee. Wenn sie sich geprügelt hätten, und er hätte zu stark zugeschlagen – kommt ja mal vor. Dafür wird ein Mann trotzdem aufgeknüpft, selbst wenn er nur seine Ehre verteidigt hat, das ist auch nicht gerecht, oder? Aber diese Sache im Eiskeller, die war heimtückisch. So einer ist Rutger nicht. Ist er nie gewesen, wird er auch nicht werden.»
    Die lange Rede hatte Jakobsen atemlos gemacht. Er griff nach Titus’ Bierkrug, leerte ihn und stand auf, um einen neuen zu holen.
    Rosinas Neugier war nicht befriedigt, sondern durch

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