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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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dein Monsieur Vinstedt? Kommt er bald?»
    Rosina zog mit spitzem Zeigefinger einen feuchten Kringel aus der Bierlache über den hölzernen Tisch, bevor sie nickte. «Er schreibt, dass er bald abreist, schon in wenigen Tagen. Aber bis er nicht hier ist, bin ich vorsichtig. Wer weiß, was ihm noch dazwischenkommt.»
    «Sei nicht so streng Rosina.» Helena fühlte sich unversehens als Verteidigerin des Mannes, den sie am liebsten und für immer in weiter Ferne wusste. «Wenn er einmal ein Versprechen nicht gehalten hat, vielleicht nicht halten
konnte
, bedeutet das nicht, dass es seine Gewohnheit ist. Und nun sag: Wie geht es Matti und Lies?»
    «Es geht ihnen gut, obwohl ich glaube, Lies’ Gicht plagt sie ärger, als sie zugibt. Sie lassen alle grüßen. Im Übrigen sind sie jetzt zu dritt. Sie haben ein Kind zur Pflege, ein Säugling noch, ein wirklich hübscher Junge. Er ist ein bisschen dünn, aber Matti sagt, er sei gesund und bald so rundlich, wie er sein sollte.»
    «Matti?», fragte Maline plötzlich. Sie hatte versucht, Jean die Geheimnisse der Laterna magica zu erklären, und nur Rosinas letzten Satz gehört. «Die vom Hamburger Berg? Ihr kennt die alte Hebamme?»
    «Aber ja», sagte Helena fröhlich, «schon lange. Ihre Freundin hat bis vor wenigen Jahren zu uns gehört. Nun hat sie dort ein warmes Nest gefunden. Lies ist eine knurrige alte Frau, ich hätte nie gedacht, dass ich sie so vermissen könnte. Nicht nur, weil wir nun niemanden mehr haben, der sich aufs Kurieren aller denkbaren Malaisen versteht. Das hat sie von Matti gelernt, als sie beide noch jung waren. Den ganzen heilsamen Kräuterkram. Lies legt auch gut die Hand auf und kennt die geheimen Sprüche, du verstehst, was ich meine, man sollte nicht zu laut drüber reden.»
    «Und woher», fragte Rosina, «kennst du Matti?»
    «Woher?» Maline zuckte mit den Achseln. «Ja, woher? Ich weiß nicht. Ich habe irgendwo von ihr gehört, während der letzten Tage. Wenn ich durch die Stadt gehe und nach guten Bildern suche, höre ich den Leuten zu. Sie reden immer irgendetwas.»
    «Stimmt», sagte Helena, «die Leute schwatzen pausenlos. Und Matti kennen viele. Sie ist die beste Hebamme weit und breit. Aber was ist mit diesem Kind, Rosina? Sie werden es doch nicht behalten. Pflegen sie es nur gesund und geben es dann an die Eltern zurück?»
    «Ich glaube nicht. Matti hat mich nur spüren lassen, dassmich das nichts angeht, aber Lies hat gleich geknurrt, ich solle nicht auf unnütze Gedanken kommen, genau so hat sie sich ausgedrückt, das Kind brauche ein sicheres Zuhause und keinen Komödiantenkarren.»
    «Also suchen sie jemanden, der es aufnimmt. Was gibt es an einem Komödiantenkarren auszusetzen? Ich hatte nie ein anderes Zuhause, wir alle nicht, bis auf dich, Rosina, ist es uns schlecht bekommen?» Sie seufzte und eine vergessen geglaubte Sehnsucht schimmerte in ihren Augen auf. «Es wäre doch schön, wenn wir wieder ein Kind bei uns hätten. Manon und Fritz sind fast erwachsen und Muto sowieso. Wir sollten darüber nachdenken. Satt bekommen wir ihn allemal, lesen und schreiben kann er bei uns lernen und – ach, alles. Wer weiß denn, wo der kleine Kerl sonst landet. Ich würde Matti schon überzeugen.»
    «Platz, Leute. Macht doch mal Platz.» Der Wirt drängte sich mit zwei dampfenden Tellern zwischen Tischen und Bänken heran, aus seiner Lederschürze ragte ein Runken Brot.
    «Endlich», rief Rosina, «ich dachte schon, du willst uns verhungern lassen. Warum hat es heute so lange dauert, Jakobsen?»
    «Lange? An anderen Tagen geht es nur besonders schnell.» Er stellte die Teller vor Maline und Rosina auf den Tisch und leckte Suppenreste von den Daumen. «Freu dich lieber, ihr habt nämlich Glück. Das ist fast der Rest. Entensuppe geht immer weg, als wär sie umsonst. Das muss am Rotwein und am Thymian liegen.»
    «Oder an den Rosinen», sagte Rosina, griff nach dem Löffel und begann heißhungrig zu essen. Jakobsen brach das Brot, legte den beiden Nachzüglerinnen je die Hälfte vor die Teller und sah, die Hände vor dem beachtlichen Bauch gefaltet, befriedigt ihren Appetit.
    «Setz dich zu uns, Jakobsen.» Helena rückte auf der Bank zur Seite, sie hatte beschlossen, die Sache mit Mattis Pflegesohn auf später zu verschieben, vielleicht auch auf noch später. «Erzähl uns, was es Neues gibt.»
    Nichts hätte Jakobsen lieber getan. Der Wirt des
Bremer Schlüssel
erfuhr nicht nur vom meisten, was in der Stadt geschah, genauso flink wie die

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