Der Tote im Grandhotel
gesetzten Mann.
Mady flatterte hinter ihm her. Da hing eine junge Frau in Fesseln. Sie war ohnmächtig. Die Polizisten arbeiteten an den Ketten und an der Manschette, die sie um den Hals trug.
Mady trat hinzu. Ihr Atem ging total gleichmäßig. Und jetzt machte sie der Frau mit einer fixen Bewegung die Halsmanschette ab, nahm den Knebel aus dem Mund, bedeutete den Männern, wie die Ketten ganz leicht aufgingen. Kaltblütig. Ruhig. Ernst. Nicht ohne sich anmerken zu lassen, daß sie sich selber wieder einmal außerordentlich gut fand.
»Ins Krankenhaus mit ihr. Ein Mann zur Bewachung«, ordnete Wedel an. Er zweifelte keine Sekunde daran, daß er die Frau vom Phantombild vor sich hatte. Die aus dem Grandhotel. Wohl doch entschieden Opfer und nicht Täterin. Aber wer wußte, wie sie in den Schlamassel hineingeraten war?
Na ja, offenbar war sie eine Kurierin gewesen. Bald würde man mehr wissen. Es sah ganz so aus, als würde sie das hier überleben. Mit seelischen Schäden, natürlich. Aber wer mit dem Teufel tanzen geht, stinkt später nach Schwefel.
Einzelheiten konnte Wedel noch nicht überblicken, im Gegensatz zu Mady selbstverständlich, die ihm gerade erklärte, man habe es hier einwandfrei mit einem Stützpunkt der organisierten Kriminalität zu tun. Russen vorwiegend in diesem Falle. Der Alte, den sie gerade abtransportierte, habe einwandfrei auf Russisch protestiert.
Daß die Kleine hier einfach eine Prostituierte fürs Grobe sei, glaube sie nicht. Prostituierte würden ihrer Meinung nach – obwohl sie da Gott sei Dank keine persönlichen Erfahrungen hätte – nicht ohnmächtig dabei.
Die Frau in dem einen Schlafzimmer, die auch schon auf dem Weg zum Revier sei, müsse eine Deutsche sein. Bestimmt war der andere Kerl, der junge, der behauptete, er sei ein bekannter Kameramann bei der DEFA gewesen, ein Deutscher, der aber auch Russisch sprechen könne. Aber der andere junge Kerl sei auch was Östliches.
Wedel war wieder einmal hin- und hergerissen zwischen widerwilliger Anerkennung und dem Überdruß des alten Hasen an soviel überschäumender Klugscheißerei.
Die Beamten durchsuchten nun alles, Meter für Meter, Wand für Wand, Schrank für Schrank, das hatten sie gelernt, das klappte. Man würde etwas finden. So total ließen sich Spuren von Verbrechen nicht verwischen.
Einige Gangster würden hinter Schloß und Riegel kommen, für einige Zeit, nicht ewig. Die Oberbosse erwischte man sowieso nie. Wenn man Idealist war – und Wedel wußte ganz tief in seinem Herzen, daß er einer war –, dann durfte man das eigentlich gar nicht machen. Kleine Erfolge, letztlich große Resignation. Deshalb waren auch die frischen Jagdhunde – und Jagdhündinnen neuerdings – so von Erfolgsstreben und Sendungsbewußtsein getragen. Die ahnten noch nichts, die rochen den Dreck noch nicht. Rührend. Beneidenswert, wenn man ehrlich war.
Mady hatte das Phantom-Mädchen in die Bettdecke gehüllt. Der Polizeibeamte wollte sie auf die Arme nehmen und zum Auto tragen. Aber die Kleine war zäh. Sie hatte die Augen offen und bedeutete dem Polizisten, sie wolle gehen. Wedel betrachtete ihr Gesicht forschend. Die Augen waren glasig. Wahrscheinlich hatten sie ihr etwas gespritzt. Die Narben an ihrem Körper waren nicht frisch. Das Leiden dauerte wohl schon die ganze Zeit über an, seit sie aus dem Hotel verschwunden war.
Er hätte sie gern befragt, ließ es dann aber. Wenn etwas dabei passierte, ein Kollaps oder Ähnliches, dann war er mal wieder schuld. Ein gefundenes Fressen für die Presse. So was kriegten die immer raus. Er winkte unwirsch in Richtung Tür.
Der Polizist und Mady stützten die Kleine, die nun laut und deutlich sagte: »Meine Sachen zum Anziehen sind in einem anderen Zimmer, auch auf diesem Flur.«
Donnerwetter, ein zähes kleines Luder.
Noch am selben Tag, gegen Mittag, konnte Wedel Näheres erfahren. Britta Schirrmacher saß im Krankenhausbett, den Rücken an ein dickes Kissen gelehnt. Sie hatte einen Schock, natürlich hatte sie den, aber sonst war alles paletti. Sie gab fließend Auskunft.
Über ihren Zimmergefährten im Grandhotel wollte sie partout nichts sagen. Als Wedel jedoch den Namen ›Richard Hornung‹ nannte, nickte sie.
»Er war aber nicht dabei, als der Mann getötet wurde.«
»Das weiß ich. Er wird nicht verdächtigt«, log Wedel, denn wahrscheinlich hatte der Herr Dreck am Stecken, und zwar in bezug auf den toten Moritz, von dem die Kleine hier ja nichts wußte.
»Wie war es
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