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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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schmatzendes Geräusch, mehrmals, Boris fiel zu Boden, der Sessel kippte um, und dann sah Britta das Messer in der Hand des Jungen und
    auch die Waffe in Boris' Hand. Dann sprang der Magere mit einem Satz hinzu, und es gab diesen Knall, dumpf, sehr laut. Auch wenn man vorher nie einen Schuß gehört hatte, wußte man absolut sicher, was das war.
    Britta kniff die Augen zusammen, zu spät. Sie hatte gesehen, wie der Kopf zerplatzte, hatte dieses schreckliche, platschende Geräusch gehört.
    Der Magere sagte dann etwas zum Jungen, in einem harten, frem-
    den Tonfall. Sie kamen auf Britta zu. In diesem Augenblick schien etwas von der vergangenen Lebensenergie des Toten in sie überzu-gehen, jedenfalls hatte sie deutlich dieses Gefühl. Sie wurde nicht ohnmächtig. Sie sank nicht um. Sie sah ihnen entgegen, auf alles gefaßt, zum Durchhalten entschlossen.
    Aber jetzt hatte alle Kraft sie verlassen. Sie zitterte, zerrte matt an den Fesseln, sie ächzte und wimmerte. Die Dunkelheit schien stoff-lich zu sein, wie Watte, die ihr das Atmen erschwerte. Sie fürchtete zu ersticken.
    Aus Richtung Tür kam plötzlich ein Geräusch. Es wurde schnei-
    dend hel im Keller. Als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, sah sie den Engel in der Tür stehen. Ein Mann. Blond, groß, athletisch gebaut, mit kräftigen Schultern und schönen Schenkeln.
    Er trug Jeans und ein weißes Hemd, das sich über dem Gürtel
    bauschte. Er stand breitbeinig da und lächelte. Offenbar kannte er seine Wirkung und genoß sie auch.
    Er schloß die Tür und trat etwas näher. Auch seine Züge waren
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    ebenmäßig. Er war tatsächlich schön. Schön auf die harte, männ-
    liche Art. Und er war keine Einbildung, keine Manifestation ihrer Angst. Er war real.
    »Meine Güte, was haben die Idioten denn mit Ihnen gemacht?
    Angebunden! Im Dunkeln! Sie sind doch keine Kriminelle, nicht
    wahr?«
    Er kam nahe heran. Sie hatte Angst. Trotzdem nahm sie wahr,
    daß er nach Tabak und gutem Rasierwasser roch. Er ging vor ihr in die Hocke und löste die Fesseln von ihren Füßen. Das Blut schoß schmerzhaft ein. Er berührte ihre Fesseln über den Stiefelettchen, dann ließ er eine Hand ein Stück höhergleiten.
    Sie empfand die Berührung mit einer Intensität, als hätte die
    Dunkelhaft ihre Sinne geschärft und ihre Nerven bloßgelegt.
    Er erhob sich und machte nun auch ihre Hände los. Den Strick
    um ihre Hüften löste er nicht. Er zog einen der Holzstühle heran und setzte sich ihr dicht gegenüber, mit gekreuzten Beinen, so elegant, als säße er im Salon und führe ein nettes, gepflegtes Gespräch.
    »Möchten Sie rauchen?«
    Sie krächzte und mußte sich räuspern, bevor die Stimme kam.
    »Ja gern, danke.«
    Er hielt ihr eine Packung hin, wartete, bis sie sich bedient hatte, und gab ihr Feuer mit einem kostbar wirkenden Feuerzeug.
    »Lassen Sie die Asche einfach auf den Boden fallen, hier muß sowieso ausgefegt werden.«
    Er lachte und fuhr fort: »Ich möchte, daß Sie mir einige Fragen beantworten. Danach sind Sie frei, ganz einfach.«
    Er sprach fließend Deutsch, mit östlichem Akzent.
    »Was wollen Sie wissen? Ich weiß ja nichts.«
    »Sie haben diesem Mann im Hotelzimmer etwas übergeben. Wir
    haben es und wissen, was es war. Sie wußten es natürlich auch. Es ist immer dasselbe. Wir haben auch das Red Mercury, immerhin
    rund dreihunderttausend Dollar wert, Püppchen. Und du bist also 26
    ein Kurier, oder, modern ausgedrückt, eine Kurierin.«
    Er lachte wieder.
    »Wir wollen Namen und Adressen. Auftraggeber. Was du wo
    übergeben hast und wem natürlich. Das wäre es dann schon. Bei-
    nahe.«
    »Ich kenne nur Mister Lederman in New York. Er hat mir die
    Sachen gegeben. Seine Anschrift weiß ich nicht. Er rief mich an und bestellte mich in ein Lokal. Wir aßen was und tranken Wein.
    Er sagte mir genau, was ich tun und sagen sollte. Das war alles.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Alt. So fünfzig, sechzig Jahre. Weißes Haar, rosig, rundes Ge-
    sicht. Schwarze Augen.«
    »Weiter!«
    »Ich glaube, er heißt Nick mit Vornamen. Nick war meist auch
    das Erkennungswort für den Kunden.«
    »Was bekamst du dafür?«
    »Diesmal dreitausend Dollar. Ich habe mit tausend Dollar ange-
    fangen.«
    Er wirkte jetzt gar nicht mehr besonders freundlich. Das Bild des zerplatzten Kopfes erschien vor ihrem inneren Auge. Womit hatte der Magere nur geschossen? Im Kino war ein Loch in der Schläfe
    und fertig. Ihr Magen schien sich zu heben. Sie preßte die Hand auf den

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