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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Gängen und in Zimmern. Eine Frau konnte schließlich nicht gleichzeitig schießen und zustechen. Nicht einmal ein Mann hatte das drauf. Aber er konnte es vielleicht nacheinander tun.
    Angenommen, Hugendübel hatte seine Gefährtin mit dem Toten,
    damals natürlich noch Lebendigen, haha, überrascht, hatte schon so etwas geahnt, Totmacher eingesteckt, schoß und stach dann in wilder Wut auf ihn ein, während sie flüchtete?
    So ein Quatsch!
    Also, die zierliche Kleine wäre gar nicht in der Lage gewesen, den sehnigen, muskulösen, offenbar durchtrainierten Kerl zu töten. Hugendübel kam für das Motiv ›Eifersucht‹ in Frage. Hatte sich möglicherweise als Hotelbediensteter ausgegeben und gerufen: »Tele-gramm für …« Der Nebenbuhler öffnet. Vollständig angekleidet.
    Das sah ja nun nicht nach heißer Liebe aus. Aber vielleicht ist der Kerl gerade erst angekommen? Oder will gerade gehen und hat sich schon wieder angepellt?
    Es konnte so gewesen sein, aber Wedel wußte: So war es be-
    stimmt nicht gewesen! Da sei meine Spürnase vor, dachte er. Etwas Wichtiges liegt in der Luft, ich rieche: Schwerkaliber-Kriminalität.
    Wenn die Kleine geflohen wäre, hätte sie sich ja wohl inzwischen gemeldet. Ist sie entführt worden? Ach, warum sollte man sie entführt haben?
    Wer ist der Tote? Er hatte weder Papiere noch eine Waffe. Man
    konnte ihm aber beides abgenommen haben. Fingerabdrücke gab
    es natürlich nicht. Selbst Laien hinterlassen heutzutage keine mehr, und das hier sieht verdammt nach Profiarbeit aus.
    33
    Die Theorie, der zurückkehrende Hugendübel habe einen Einbre-
    cher überrascht und getötet und sei dann mit seiner Dulcinea geflohen, schied für Wedel als zu läppisch aus. Nein, es war etwas faul an diesem Fall.
    Wedel ließ jeden vom Hotelpersonal einzeln in einem Hotelzim-
    mer erscheinen, das allerdings bei weitem nicht so elegant war wie das Mord-Apartment. Es kostete auch nur lumpige dreihundert
    Mark pro Nacht, ohne Frühstück selbstverständlich. Wedel konnte sich schwer vorstellen, wie ein Mensch soviel Geld ausgeben konnte, nur um ins Bett zu gehen und zu schlafen.
    Wahrscheinlich übernachteten hier jedoch vornehmlich Spesen-
    ritter, letztlich auf Kosten der Kunden oder Zuarbeiter. Hugen-
    dübel auch? Wohl kaum. Sonst hätte irgendeine Firma nachgefragt.
    Ach, es machte alles keinen Spaß. Sah gar nicht nach einem zu
    lösenden Fall aus. Nur daß er das nicht akzeptieren wollte. Wahrscheinlich war es in anderen Berufen auch so: Es gab das Image, und es gab die Wirklichkeit.
    Ein Kommissar war vom Image her stets erfolgreich. Er löste den Fall. Keine Spur entging seinem Adlerauge. Kleinste Fingerzeige nutzte er genial für die Wahrheitsfindung. In der Realität lachte sich der Täter dann in Südamerika oder ganz banal in seiner Miet-wohnung irgendwo im Kiez ins Fäustchen.
    Bei Ärzten war's ähnlich. Sie hatten das positive Image und die Spitzenposition auf der Wertschätzungsskala der Leute einerseits –
    und den eigenen Patientenfriedhof andererseits. Nun ja. Das strahlende Image war stärker als der Pfusch. Oder das Brett vorm Kopf.
    Wedel nahm sich gerade einen der Hotelpagen vor, der es natür-
    lich noch einmal weit bringen wollte. Mindestens zum Direktor.
    Moritz Mach hieß der Knabe, war hübsch und aufgeweckt und
    schwul, wie Wedel aus seinem etwas töligen Tonfall schloß.
    Vielleicht wußte Moritz das aber noch gar nicht. Hatte noch kein Coming out gehabt, wie es modisch hieß. Aber es war egal. Heut-34
    zutage würde er als Homo keine Probleme mit der Karriere haben.
    »Sie haben das Ehepaar Hugendübel auf dem Zimmer bedient,
    das haben wir geklärt. Ist Ihnen wirklich nichts Besonderes aufgefallen? Waren die beiden auffällig lieb zueinander? Oder machten sie –
    oder einer von beiden – vielleicht einen ärgerlichen Eindruck?«
    Moritz sah ihn fest aus stahlblauen Augen an.
    »Sie wirkten normal. Wie ein normales Ehepaar. Das Trinkgeld
    war auch normal. Nein, mir ist nichts aufgefallen.«
    Wedel erwidere den stahlblauen Blick eisern. Der Junge log. Zu-
    mindest verschwieg er etwas. Er setzte eine möglichst sympathische, väterliche Miene auf.
    »Mochten sie die beiden?«
    »Kann ich eigentlich nicht sagen. Ich habe mich nicht weiter um sie gekümmert. Sie sich auch nicht um mich.«
    »Waren es wohl reiche Leute?«
    »Alle Leute hier sind reich, mehr oder weniger.«
    Der Junge war gewitzt.
    »Denken Sie noch einmal nach. Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen
    Sie mich

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