Der Tote im Grandhotel
angesehen und dann
wieder reingelegt. Muß ein Kind da vergessen haben. Ich wollte sie abliefern, aber hab's dann wieder vergessen.«
»Sie hatten also persönlich mit der Sache gar nichts zu tun?«
»Überhaupt nicht.«
»Und dann haben die beiden Männer Sie mitgenommen. Warum
wohl?«
»Weil ich zugeschaut hatte.«
»Und warum, glauben Sie, hat man Sie verschont?«
»Ich tat ihnen leid.«
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Vielleicht war es ja wirklich so gewesen, obwohl Wedel ihr kein Wort glaubte. ›Überhaupt nicht‹ und ›vergessen‹ schienen Lieblings-vokabeln der Kleinen zu sein.
»Sie wurden also aus dem Hotel fortgebracht. Von den beiden
Männern?«
»Ja. Es saß noch einer am Steuer, aber ich kann mich nicht erinnern. Sie brachten mich erst irgendwo in einen Kel er, dann in diese Villa, wo Sie mich gefunden haben. Sie haben mich gequält und Pornofilme mit mir gemacht …«
Jetzt fing sie an zu weinen. Das Verhör ging noch eine Weile weiter, hin und her, lang und breit und letztlich ergebnislos. Mehr würde sie nicht sagen.
»Im Hotel haben wir Ihre Sachen zusammengepackt. Sie werden
Ihnen nachher übergeben.«
»Oh. Danke vielmals!«
Daß diese Britta nicht die Wahrheit sagte, stand fest. Aber sie war letztlich ein winziger Fisch. Und ganz schön gewitzt. Sie hatte wahrscheinlich Kurier gespielt, das war strafbar. Doch was brachte es, wenn er versuchte, es zu beweisen? Sie wollte natürlich wieder nach New York zurück, als sei nichts gewesen. Man würde sehen.
Sie fragte, ob sie ihren Bruder in Düsseldorf anrufen dürfe?
Das war ja nun wieder ein ganz neuer Aspekt. Er sagte, er würde es sich überlegen.
Wedel reiste erst einmal nach Kiel und überließ Mady Saparonsky das Berliner Terrain. Er kam gerade zur Beerdigung des ermordeten Moritz Mach zurecht.
Im Kino gingen die Kriminalbeamten immer mit auf den Fried-
hof. Warum sollte er das also im richtigen Leben nicht auch tun?
Es war manchmal gewiß höchst aufschlußreich.
Die Eltern taten ihm leid. Offensichtlich ordentliche, brave Bürger. Der Vater war Feuerwehrmann, wie Wedel inzwischen wußte.
Die Mutter sah noch aus wie eine echte Mutter, nicht wie die
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Schwester des Sohnes, wie man es jetzt so häufig sah. Sie schluchzte. Gramgebeugt. Plötzlich hatte dieses abgegriffene Wort augenfällig Sinn. Gramgebeugt, wie traurig. Und der Vater … beinahe zer-rissen von Schmerz und Wut.
Dann war noch eine exaltierte Person da, die Tante Charlotte,
ganz in Schwarz, Minirock und schwarze Strumpfhosen, blickdicht.
Und schwarzer, runder Hut mit dichtem Schleier, den sie vor das Gesicht gezogen hatte. Sie war wie die Witwe zurechtgemacht, fand Wedel. Am Grab, als der Sarg heruntergelassen wurde, weinte sie laut.
Die Fotoreporter – und die waren mal wieder reichlichst vertreten und boxten sich gegenseitig in einigem Abstand aus den besten
Positionen weg – konnten sich gar nicht einkriegen vor Begeisterung. Sie hatten ihre Kameras hoch über die Köpfe gestemmt, um
genug Blickfeld für die Linse zu haben, und sogen die ganze Szene auf Deibel komm raus ein.
Wedel sprach später mit dem Vater. Herr Mach hatte keinen Ver-
dacht. Er konnte sich das alles überhaupt nicht erklären.
»Wenn ich den Kerl in die Finger kriege, der das getan hat, dem schneide ich eigenhändig die Kehle durch, und wenn ich lebenslang dafür sitzen muß.«
»Na, na, Herr Mach. Haben Sie ein bißchen Vertrauen zu uns.«
Aber man sah ihm an, daß er überhaupt kein Vertrauen zur Po-
lizei hatte. Und zur Justiz erst recht nicht.
»Sie lassen doch heutzutage jeden laufen. Da kommt so ein Psy-
chiater und sagt, der arme Kerl war nicht bei Sinnen, und schon lassen ihn die Richter laufen. Vielleicht kommt er für ein Jahr in 'ne Klapsmühle. Das war's dann.«
Unvermittelt begann Herr Mach zu schluchzen. Wedel verab-
schiedete sich entnervt. Ein weinender Mann, das ging einfach über seine Kraft.
Der schwere Teil stand ihm aber noch bevor. Wedel fuhr gegen
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Abend zu Hornungs Villa. Ein richtiger Butler, wie aus dem Kino, öffnete die Tür. In einer Bibliothek empfing ihn der Hausherr.
Wedel stellte auf Anhieb fest, daß er es hier mit einem Edelkaufmann von echtem norddeutschen Schrot und Korn zu tun hatte.
Aber das bedeutete nicht so sehr viel. Das war der olle Wie-hieß-
er-noch damals auch gewesen und mancher andere ebenfalls.
Wedel erklärte rundheraus, man wisse zweifelsfrei, daß Richard
Hornung der geheimnisvoll verschwundene Mann im Grandhotel
gewesen
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