Der Tote im Schnee
mit den Fingerspitzen, so als könne er das Reifenmuster ertasten.
»Sicher«, meinte Ryde, »ich gebe nur wieder, was wir gefunden haben, die Schlußfolgerungen müßt ihr schon selber ziehen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Ottosson wieder.
Die Besprechung wurde fortgesetzt, indem Riis die Ergebnisse seiner Nachforschungen zur finanziellen Situation von Familie Jonsson referierte. Vieles war vorläufig, weil er noch nicht alle Informationen eingeholt hatte, aber für Riis hatte sich bereits ein Bild herauskristallisiert: Die Jonssons waren eine Familie mit niedrigem Einkommen, die sich keine großen Sprünge erlauben konnte.
Johns Arbeitslosigkeit hatte die finanziellen Möglichkeiten der Familie natürlich noch weiter eingeschränkt. Sie hatte zu einer gestiegenen Zahl von Ratenkäufen geführt, und in den letzten zwei Jahren waren dreimal Zahlungen angemahnt worden.
Die Jonssons bezogen kein Wohngeld. Laut Riis war die Miete für ihre Wohnung »angemessen«. Bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft waren sie mit der Miete nie in Rückstand geraten. Es hatte auch keine Beschwerden von Nachbarn gegeben.
Sie hatten nur eine Karte, eine IKEA-Kundenkarte, die sie mit etwa siebentausend Kronen belastet hatten. Weder John noch Berit verfügte über eine private Zusatzrentenversicherung, und sie besaßen auch keine Aktien oder andere Wertpapiere. John hatte ein Konto bei der Sparkasse, auf das sein Arbeitslosengeld überwiesen wurde. Berits Gehalt wurde auf ein Girokonto bei der Nordbank gezahlt. Sie verdiente im Schnitt um die zwölftausend Kronen im Monat brutto.
John hatte nur eine Lebensversicherung, und zwar bei einer gewerkschaftsnahen Versicherung. Riis, der seinen Bericht mit einem Seufzen beendete, glaubte nicht, daß sie Riesensummen abwerfen würde.
»Mit anderen Worten, keine großen Sprünge und in den letzten Jahren ging es ihnen schlechter«, faßte Haver zusammen.
»Aber da war noch etwas«, meinte Riis. »Auf Johns Konto wurden im Oktober zehntausend Kronen eingezahlt. Es war eine Internet-Überweisung von einem Konto, dessen Inhaber ich gestern nicht mehr ermitteln konnte. Ich werde das heute vormittag erledigen.«
Riis teilte ihnen dies in einem für ihn ungewöhnlich defensiven Ton mit, so als hätte er erwartet, kritisiert zu werden, weil er nicht alle Fakten auf den Tisch legen konnte.
Haver dachte über das zuletzt Gehörte nach. Es war zweifellos die bisher interessanteste Information.
»Zehntausend«, sagte er und sah dabei aus, als überlegte er, was er selber mit zehntausend Kronen anfangen würde.
»Wir können natürlich nur spekulieren, was für Geld das ist«, fuhr er fort, »aber die Sache kommt einem zweifellos ein wenig faul vor.«
Fredriksson hüstelte.
»Ja?« sagte Haver, der ihn gut kannte.
»Wir wissen mittlerweile, was John vorgestern am späten Nachmittag gemacht hat«, erklärte Fredriksson bescheiden.
»Er war Schnaps kaufen und hat anschließend einen Freund besucht, Mikael Andersson, der in der Väderkvarnsgatan wohnt. Er hat gestern abend angerufen und kommt in einer halben Stunde her.«
»Wann war John dort?«
»Er kam gegen fünf und blieb eine halbe, vielleicht auch dreiviertel Stunde.« Fredriksson referierte Mikael Anderssons Angaben.
»Okay«, sagte Haver, »jetzt können wir anfangen, seiner Spur zu folgen. Mikael Andersson wohnt in der Väderkvarnsgatan, einen Häuserblock vom Vaksala torg entfernt. Wie ist er nach Hause gekommen?«
»Mit dem Bus«, antwortete Bea. »Man spaziert nicht mit zwei Tüten voller Flaschen den ganzen Weg bis nach Gränby. Ich jedenfalls würde das nicht tun.«
»Ich glaube, Linie 3 fährt von der Vaksalagatan ab«, meinte Lundin, dessen Beiträge zu den morgendlichen Besprechungen in letzter Zeit immer spärlicher wurden. Haver nahm an, daß seine zunehmende Angst vor Bazillen und sein Sauberkeitsfimmel ihn blockierten.
»Wir müssen uns mit den entsprechenden Busfahrern unterhalten«, meinte Haver.
»Vielleicht sollten wir jemanden zu der Uhrzeit, um die John vermutlich den Bus genommen hat, an der Bushaltestelle postieren und ein Foto herumzeigen lassen und …«
»Gute Idee«, unterbrach Haver ihn, »viele fahren ja immer zur gleichen Zeit. Lundin?«
Lundin schaute überrascht auf.
»Ich habe um die Zeit viel zu erledigen«, erklärte er.
»Ich übernehme das«, sagte Berglund und warf Haver einen bösen Blick zu. Er haßte es, Lundins gequälten und verwirrten Gesichtsausdruck sehen zu müssen.
»Was ist denn
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