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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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hatte Nachtschicht gehabt, arbeitete aber immer noch. Kollege Tunander war auf dem Weg in die Stadt in einen Autounfall verwickelt worden und würde erst gegen acht kommen.
    Das machte Modig nichts aus. Zu Hause erwartete ihn niemand, und er fühlte sich noch erstaunlich frisch. Bald würde er in den Weihnachtsurlaub gehen. Er hatte eine Reise nach Mexiko gebucht, die er am Tag vor Heiligabend antreten würde. Als das Telefon klingelte, überlegte er gerade, wie das mexikanische Essen war. Seine Erfahrungen mit mexikanischen Restaurants in Schweden stimmten ihn nicht übertrieben erwartungsvoll.
    »Jemand hat Ansgar erwürgt«, sagte eine Frau mit erregter Stimme.
    Modig konnte Leute, die in den Telefonhörer keuchten oder auch nur laut atmeten, nicht ausstehen. Das Geräusch störte ihn.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte er.
    »Er ist tot!«
    »Wer?«
    »Ansgar, das habe ich doch schon gesagt!«
    »Wie heißen Sie?«
    »Gunilla Karlsson.«
    Die Frau atmete nicht mehr ganz so heftig.
    »Wo wohnen Sie?«
    Es gelang der Frau nur mit großer Mühe, ihre Adresse zu nennen, und Modig notierte in krakeliger Schrift die Angaben.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Ich gehe auf die Terrasse, und dann hängt er am Zaun.«
    »Ansgar?«
    »Genau. Ich habe sofort gesehen, daß er tot ist. Und dabei ist’s nicht mal meins. O Gott, wie soll ich das nur erklären? Malin wird furchtbar traurig werden.«
    »Wer ist Ansgar?«
    »Das Kaninchen der Nachbarn.«
    Modig konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er winkte Tunander heran, der gerade hereinkam, schrieb »ein totes Kaninchen« auf den Notizblock und schob ihn dem Kollegen zu.
    »Und Sie haben ihn auf Ihrer Terrasse gefunden?«
    »Ich habe ihn in Pflege. Die Nachbarn sind verreist, und ich soll mich in ihrer Abwesenheit um Ansgar kümmern. Ich gebe ihm jeden Tag sein Futter und frisches Wasser.«
    »Hat ihn jemand an den Zaun gehängt oder ist er steckengeblieben?«
    »Er hat eine Schlinge um den Hals. Er ist ermordet worden.«
    Ermordet man Kaninchen, dachte Modig. Er schrieb »Ermordet« in den Block.
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    Tunander verließ lachend den Raum.
    »Gestern abend, als ich ihn gefüttert habe. O Gott«, wiederholte die Frau, und Modig begriff, daß sie an Malin dachte.
    »Haben Sie eine Ahnung, wer auf die Idee gekommen sein könnte, ein Kaninchen zu erdrosseln?« fragte er und wurde plötzlich von großer Müdigkeit übermannt.
    Die Frau erzählte ihm umständlich, wie sie sich tagtäglich um das Kaninchen gekümmert hatte. Modig starrte ins Leere.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er freundlich.
    »Kommen Sie her? Ich muß jetzt zur Arbeit. Soll ich Ansgar hängen lassen?«
    Der Polizist dachte einen Moment nach.
    »Lassen Sie ihn hängen«, sagte er schließlich.
    Tunander kehrte mit einer Tasse Kaffee in der Hand zurück.
    »Wie kann man sein Kaninchen nur Ansgar nennen?« fragte Modig, als er aufgelegt hatte.
    »Was für eine Rasse war es?« fragte Tunander.
    »Rasse?«
    »Es gibt eine Menge verschiedener Kaninchenrassen, wußtest du das nicht?« Tunander setzte sich.
    »Ist viel passiert?« erkundigte sich Modig.
    »Nur ein Blechschaden«, antwortete Tunander und wurde augenblicklich ernst. »Mir ist so eine blöde Tussi seitlich reingefahren.«
    Er schüttelte den Kopf. Modig stand auf.
    »War sonst noch was?«
    »Nichts Besonderes. Nur ein paar Anrufe wegen des Mordes am kleinen John.«
    »Irgendwas Ernstzunehmendes?«
    »Vielleicht, ich weiß nicht«, erwiderte Modig zerstreut.
    Er spürte jetzt, wie müde er in Wirklichkeit war. Die Reise nach Mexiko kam ihm wie das einzig Richtige vor.
    »Er war weiß«, sagte er.
    »Wer?«
    »Ansgar«, antwortete Modig und stemmte sich aus seinem Stuhl.
     
    Modig verließ das Präsidium, um erst vierzehn Tage später wieder dorthin zurückzukehren. Zur gleichen Zeit begann im großen Konferenzraum die Lagebesprechung für den Fall John Jonsson. Versammelt hatte sich die übliche Gruppe von Beamten aus dem Kommissariat für Gewaltdelikte, Morenius von der Fahndungskommission, der Staatsanwalt, Ryde von der Spurensicherung, Julie und Aronsson von der Schutzpolizei sowie Liselotte Rask, die für den Kontakt zu den Massenmedien zuständig war; insgesamt etwa zwanzig Personen.
    Ottosson leitete die Besprechung, was ihm in letzter Zeit etwas besser gelang als früher. Haver, der zur Linken des Kommissariatsleiters saß, wo Lindell sonst ihren Platz hatte, beobachtete ihn von der Seite.

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