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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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so leben?«
    »Wie meinst du das?« hatte Berit gefragt.
    Da war John aufgewacht und in die Wirklichkeit zurückgekehrt und unter ihrem Blick in sich zusammengesunken wie eine Pflanze ohne Wasser.
    Justus hatte das nicht gefallen. Warum sagte sein Vater nichts, vielleicht nicht alles, aber zumindest etwas, das sie veranlaßt hätte, ihn nicht mehr so anzusehen? Warum hatte er nicht wenigstens ein bißchen triumphieren dürfen? Jetzt war er tot, jetzt würde nie mehr Triumph sein Gesicht erhellen.
    Justus trug Eimer für Eimer weg. Noch dreißig. Die Buntbarsche schwammen unruhig umher. Justus wurde müde, holte sich einen Stuhl aus dem Flur und setzte sich vor das Aquarium.
    Er tauchte ein in die Hintergrundlandschaft, zwischen die Steine. Er konnte sich vorstellen, wie das sechsundzwanzig Grad warme Wasser ihn umschloß. Der Felsgrund im Tanganjikasee war stellenweise schlüpfrig, und er mußte sich vorsehen. Mit den Grotten war nicht zu spaßen. Gab es dort auch Krokodile? John hatte ihm einmal von einem deutschen Fischhändler erzählt, der am Ufer des Malawisees aufgefressen worden war.
    Er holte den Atlas aus dem Bücherregal. Malawi lag weit weg von Burundi.
    »Was tust du?«
    Berit stand in der Tür. Justus hörte seine Großmutter im Flur schwer atmen und das Knacken des Stuhls, als sie sich setzte.
    »Ich gucke ein bißchen«, sagte er.
    »Klappt es?«
    Justus nickte. Der nächste Eimer.
    »Du verschüttest nichts, oder?«
    Er antwortete nicht. Natürlich verschüttete er nichts. Hatte John jemals etwas verschüttet? Die Prinzessin von Burundi sah ihn an.
    »Hallo, Justus«, sagte seine Großmutter, obwohl sie sich schon begrüßt hatten, als sie gekommen war.
    »Hallo«, erwiderte er und verschwand im Badezimmer.
    »Komm doch mal her«, sagte die alte Frau, als er zurückkehrte, »ich möchte mit dir reden.«
    Justus ging widerwillig zu ihr. Sie hatte geweint. Sie weinte viel. Sie zog ihn an sich.
    »Du bist mein Enkelkind«, sagte sie, und in diesem Augenblick wollte er fliehen. Er wußte, was jetzt kommen würde.
    »Paß gut auf dich auf.«
    Er mochte ihre Stimme nicht. Früher hatte er Angst vor ihr gehabt. Heute fürchtete er sich nicht mehr, aber das alte Unbehagen seiner Großmutter gegenüber war immer noch da.
    »John war so stolz auf dich. Du mußt schön brav sein.«
    »Ja sicher, Großmutter«, brachte er heraus und befreite sich aus ihrem Griff.
    »Soll ich dir nach Hause helfen?«
    Aina hatte Angst, auszurutschen, und John oder Justus hatten sie oft nach Hause begleitet.
    »Nein, ich komme schon klar«, antwortete sie, »meine Schuhe haben Spikes.«
    »Ich muß mich um das Aquarium kümmern«, sagte er und ließ die alte Frau stehen, drehte sich aber noch einmal zu ihr um. Wie hilflos sie aussah mit dem ungewaschenen Haar, das unter der Strickmütze herausschaute, und dem Stiefel in der Hand. Berit kam mit einem vollen Eimer. Sie lächelte. Er nahm ihr den Eimer ab und ging ihn ausleeren.
    Seine Arme fingen an, weh zu tun. Beim nächsten Mal würde er den langen Schlauch nehmen und ihn durch den Flur ins Badezimmer und direkt in die Badewanne ziehen, aber diesmal wollte er das Wasser im Eimer heraustragen.
    Die Fische schwammen mit synchronisierten, schwingenden Bewegungen. Sein Blick folgte ihnen. Sie konnten zu Tausenden vorkommen und ihre Reviere dabei so nahe beieinanderliegen, daß es den Anschein hatte, als würden sie in einem riesigen Schwarm leben. Jede Felspartie beherbergte ihre eigene Population, ihre eigene Art, die einer anderen Gruppe zwar ähnlich sein mochte, jedoch eine eigene Farbzeichnung besaß. Die Sandbänke zwischen den Felsen trennten die verschiedenen Gruppen voneinander.
    Die Prinzessinnen waren Verstecktbrüter, andere waren Maulbrüter, alle gehörten sie zu den Buntbarschen, Johns Favoriten. Es mußten immer afrikanische Buntbarsche sein. Die waren zwar im Moment nicht so populär, und viele spezialisierten sich auf südamerikanische Arten, aber John hatte immer behauptet, afrikanische Buntbarsche seien den anderen überlegen.
    Justus hatte sich durch alles gewühlt, was es über Buntbarsche zu lesen gab. Darüber hinaus war durch die Beschäftigung mit den Fischen sein Interesse für Geographie geweckt worden, und er kannte den afrikanischen Kontinent wie kein anderer in seiner Klasse.
    »Ich habe mit Eva-Britt gesprochen«, unterbrach ihn Berit in seinen Gedanken. »Sie läßt dich grüßen. Willst du noch vor Weihnachten wieder in die Schule gehen?«
    »Ich

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