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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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hinab. Der Schnee lag fast zehn Zentimeter dick auf dem Bürgersteig; Lennart wurde bei jedem Schritt an den Tod seines Bruders auf der Schneekippe erinnert, und er war immer entschlossener, den Schuldigen zu bestrafen.
    Mossas Fußspuren waren klein. Er war überhaupt ein schmächtiger Mann. Er bewegte sich schnell und mühelos, mit fließenden Bewegungen, rauchend, den Kopf leicht gesenkt. Lennart sah ihn die Sankt Olofsgatan passieren und beschloß, in der schlecht beleuchteten, engen Passage unterhalb des Doms Kontakt zu ihm aufzunehmen. Er beschleunigte seine Schritte, die vom Schnee gedämpft wurden.
    Plötzlich drehte Mossa sich um. Lennart war jetzt ganz in seiner Nähe, nur noch wenige Meter von ihm entfernt.
    »Was willst du?«
    »Grüß dich, Mossa, wie geht’s?«
    »Was willst du?« wiederholte der Iraner und ließ die erst kürzlich angesteckte Zigarette fallen.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte Lennart, bereute seine Worte aber augenblicklich. Mossa half niemandem außer seiner Mutter und seinem behinderten kleinen Bruder. Er sah Lennart mit ausdrucksloser Miene an.
    »Dein Bruder ist ungeschickt gewesen, das ist alles«, meinte Mossa schließlich.
    Lennart empfand eine Mischung aus gespannter Freude und Furcht. Mossa hatte ihn erkannt und würde mit ihm reden.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine genau das, was ich sage, er war ungeschickt, unvorsichtig.«
    »Weißt du etwas darüber?«
    Mossa steckte sich eine Zigarette an. Lennart trat einen Schritt näher. Der Iraner schaute auf und steckte die Hand in die Manteltasche.
    »Nein«, sagte er kurz angebunden.
    »Du hast nichts gehört?«
    »Dein Bruder war in Ordnung, anders als viele andere Schweden. Er erinnerte mich immer an einen Jugendfreund aus Shiraz.« Der Iraner verstummte und zog an seiner Zigarette.
    »Ich weiß nur, daß er irgendwas am Laufen hatte. Etwas Großes, für ihn Großes, wenn du raffst, was ich meine?« In Mossas normalerweise so gepflegte Ausdrucksweise mischten sich gelegentlich ein paar Slangausdrücke. Er sah sich um, ehe er weitersprach. »Im Herbst habe ich so was gehört. Von einem Geschäft. John hatte plötzlich ein bißchen Geld, mehr als er sonst ins Spiel brachte. Er war bei einer Partie dabei und wollte den Einsatz erhöhen, setzen, um noch mehr zu gewinnen.«
    Lennart stampfte unruhig im Schnee. Seine Schuhe waren nicht dicht.
    Mossa fuhr in einem nachdenklichen Ton fort: »Und er gewann.«
    »Wieviel?«
    Mossa lächelte. Das tat er gern, wenn es um Pokergewinne ging »Mehr als du jemals in deinen Händen hattest. Fast zweihundert Mille.«
    »Er hat zweihunderttausend Kronen gewonnen?«
    Der Iraner nickte.
    »Was hat er gesagt?«
     
    »Nichts, er hat nur sein Geld eingesammelt und ist gegangen. Es war halb fünf Uhr morgens.«
    »Wo war das?«
    »Ich selber habe fünfunddreißigtausend verloren«, sagte Mossa.
    Lennart kam sich von seinem Bruder getäuscht und verraten vor. Er hatte ein Vermögen gewonnen und ihm kein Wort davon erzählt. Es war, als könnte Mossa seine Gedanken lesen.
    »Als wir aufbrachen, hat er etwas in der Art gesagt wie, jetzt sei es bald soweit, jetzt könne er seinen Traum verwirklichen. Und daß du dabei sein würdest.«
    »Ich?«
    »Ja, soweit ich weiß, hatte er nur einen Bruder. Er meinte, sein Bruder werde mit von der Partie sein.«
    »Bei was?«
    »Ich dachte, das wüßtest du.«
    Lennart schüttelte verständnislos den Kopf. Er sollte mit von der Partie sein? Aber was hatte John so heimlich geplant? Lennart begriff überhaupt nichts mehr. Keine einzige Andeutung hatte er gehört, nicht ein einziges Wort.
    »Mein Freund aus Shiraz ist auch viel zu früh gestorben. Er ist verbrannt. Dein Bruder starb im Schnee.«
    »Hat er sonst noch etwas gesagt?«
    Mossa sah Lennart an. Sein Blick war jetzt freundlicher.
    »Ich glaube, John hatte dich gern«, sagte er und fischte erneut die Zigarettenschachtel heraus.
    »Wer wußte noch von dem Geld?«
    »Frag doch mal seinen Freund, ich glaube, er heißt Micke.«
    »Micke wußte davon?«
    »Keine Ahnung, aber John erwähnte den Namen.«
    Ein älteres Ehepaar ging an ihnen vorbei. Mossa machte ihnen Platz.
    »Jetzt muß ich gehen«, sagte er, drehte sich um, überholte das Paar und verschwand um die Ecke, Richtung Brücke.
    Lennart blieb stehen, benommen von all den Informationen. Was sollte er nur glauben? Hatte Mossa ihn etwa hereingelegt? Nein, warum sollte er? Lennart hatte den Eindruck gewonnen, daß der Iraner ihn bereits erwartet hatte,

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