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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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daß er von John und seinem Pokergewinn erzählen wollte.
    Was wußte Micke? Dieses dreckige Schlitzohr! Scheinheilig hatte er vor ihm gesessen und was von Freundschaft geschluchzt, aber kein Wort darüber verloren, daß John einen Riesenbatzen Geld eingefahren hatte.
    Lennart stampfte mit den Füßen auf, um Schnee und Kälte loszuwerden. Er beschloß, Micke auf der Stelle einen Besuch abzustatten und ihn zur Rede zu stellen. Dann fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, Mossa danach zu fragen, wer die anderen Mitspieler gewesen waren. Hatte sich einer von ihnen für seinen Spielverlust rächen wollen? Mossa hatte fünfunddreißigtausend verloren, aber andere mußten logischerweise bedeutend mehr verloren haben. Wer hatte gewonnen, und wer hatte verloren?
    Mossa würde ihm die Namen der anderen Spieler ohnehin nicht verraten, weil dies ein Bruch mit den ungeschriebenen Regeln unter Spielern wäre. Verluste und Gewinne mußte man nehmen, wie sie kamen, so lautete die Regel. Auf der anderen Seite konnten Verluste die Menschen ins Grübeln bringen, oft rachsüchtig machen, und dann hatte der Ehrenkodex das Nachsehen.
    John war niemand, der andere mit Geschwätz oder Andeutungen reizte. Er hatte nie den Überlegenen gespielt, aber Lennart wußte, wie schnell Geld die Menschen verderben konnte.
    Micke hatte gerade einen deutschen Krimi im Fernsehen geguckt, als er hörte, wie sich seine Wohnungstür öffnete. Er schoß von der Couch hoch und bildete sich für einen Moment ein, es sei John, der zurückgekehrt war. Dann packte ihn die Angst. Er duckte sich instinktiv hinter einen Sessel, als die Wohnungstür hinter dem Eindringling zuschlug.
    »Wo steckst du, verdammt noch mal?«
    Lennarts Stimme klang, als hätte er ein paar Schnäpse intus, es war eine Mischung aus Ungeduld, Wut und eingebildeten Kränkungen. Als er das Wohnzimmer betrat, richtete Micke sich auf.
    »Warum zum Teufel versteckst du dich?«
    »Hat dir niemand beigebracht, daß man erst klingelt? Und wie bist du überhaupt ins Haus gekommen?«
    Seine Angst wich der Wut.
    »Reg dich ab«, sagte Lennart und stellte sich mitten ins Zimmer. »Warum lügst du mich an?«
    »Wie meinst du das?«
    »Über John. Er hat jede Menge Kohle gewonnen, und du sagst keinen Ton.«
    »Ich dachte, das hättest du gewußt.«
    »Und das soll ich dir glauben? Du hast es verschwiegen.«
    Micke wurde plötzlich unheimlich müde. Er setzte sich wieder auf die Couch und streckte sich nach seinem Weinglas, aber es war leer.
    »Sitz nicht da und verzieh das Gesicht«, schrie Lennart völlig unerwartet.
    »Was ist eigentlich los mit dir? Ich wußte, daß er beim Pokern Geld gewonnen hat, aber mehr auch nicht. Er hat mir nicht erzählt, mit wem er gespielt hat.«
    »Hat er dir gesagt, wieviel er gewonnen hat?«
    Micke schüttelte den Kopf.
    »Du weißt doch, wie John war.«
    »Verzapf keinen Mist über meinen Bruder!«
    Lennart machte einen Schritt auf die Couch zu.
    »Jetzt beruhige dich!«
    »Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe, du dreckiges Schlitzohr!«
    Er packte Micke am Hemd und zog ihn mit einem Ruck von der Couch hoch. Wie stark er ist, hatte Micke gerade noch denken können, bevor Lennart mit einem Kopfstoß seine Nase traf. Das Zimmer drehte sich, und Mickes Körper sackte auf den Tisch hinunter.
    Als er wieder zu Bewußtsein kam, war Lennart verschwunden. Micke rappelte sich auf. Aus seiner Nase tropfte Blut. Er tastete sein Gesicht ab.
    Was ist dieser Mistkerl doch für ein Idiot, dachte er, und wurde wütend, zunächst einmal, weil der Teppich mit Blut versaut worden war, dann aber auch, weil er in seiner eigenen Wohnung nicht in Ruhe gelassen wurde.
    Jetzt zeige ich ihn an, überlegte er, bereute den Gedanken aber sofort wieder. Dadurch würde es auch nicht besser werden, im Gegenteil. So etwas würde Lennart ihm niemals vergessen oder verzeihen und ihn jahrelang verfolgen, ihn vielleicht nicht unbedingt körperlich attackieren, aber sicher damit drohen. Micke war mit Lennart nicht befreundet, doch als Bruder von John hatte er dazugehört. In Zukunft würde ihr sporadischer Kontakt im Sande verlaufen. Auch gut, Micke wollte keine weiteren Besuche von Lennart riskieren.
    Am besten sage ich gar nichts, schneuze mich und hoffe, daß dieser Verrückte nicht zurückkommt, dachte er, als er auf wackligen Beinen zur Toilette ging.
    Im Bad saß Lennart auf der Klobrille und weinte still. Sein Gesicht war aufgedunsen und rot gefleckt.
    »Ist schon okay«, sagte Micke, »geh jetzt

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