Der Tote im Schnee
Brotmesser heraus.
»Leg das zurück«, hört er eine Stimme sagen, »sonst wirst du es bereuen.«
Die Stimme kam aus der Küche, und Lennart wurde klar, daß jemand am Küchentisch saß. Er kannte die Stimme, konnte sie in seiner Erregung jedoch niemandem zuordnen. Seine Erfahrung ließ ihn den Ernst in der Aufforderung erkennen, und er warf das Messer auf die Arbeitsplatte.
»Wer zum Teufel bist du?«
»Du kannst jetzt Licht machen.«
Lennart zog sich schnell die Unterwäsche an, drehte sich um und schaltete das Licht über dem Herd ein. Am Tisch saß Mossa, der Iraner. Auf dem Tisch lag eine Pistole.
»Du bist das? Was zum Teufel …«
»Setz dich. Wir müssen uns unterhalten.«
Lennart befolgte Mossas Anweisung. Er ahnte bereits, was kommen würde.
»Ich war es nicht«, sagte er, und der Iraner lächelte hämisch.
»Das sagen sie immer«, meinte er und griff nach der Waffe, »aber dann erzähl mir, wer mir nichts dir nichts zu den Bullen rennt.«
»Ich jedenfalls nicht«, versicherte Lennart. »Denkst du wirklich, ich wäre so bescheuert?«
»Ja«, erwiderte Mossa, »um dich anzubiedern. Du hast geglaubt, die Bullen würden dir helfen. So bescheuert bist du. Ich habe dir vertraut. Wir haben über deinen Bruder gesprochen. Ich mochte ihn, aber dich mag ich nicht.«
»Jemand anderes muß gesungen haben. Jemand, der dabei war.«
Er wollte den Verdacht nicht preisgeben, daß Micke der Polizei von der Pokerpartie an jenem Oktoberabend erzählt haben könnte. Aber wußte Micke denn auch, wer die anderen Spieler waren? John hätte es ihm durchaus gesagt haben können, sehr wahrscheinlich war das allerdings nicht. In solchen Dingen war John immer verschwiegen gewesen.
»Das glaubst du doch selber nicht«, sagte Mossa. »Du hast mich verpfiffen. Die anderen sind mir scheißegal, aber niemand soll mit meinem Namen zu den Bullen rennen, kapiert?«
Lennart nickte.
»Das kapiere ich, aber ich war es wirklich nicht. Ich wollte selber etwas herumschnüffeln, das weißt du. Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
»Um etwas zum Tauschen anbieten zu können?«
»Mossa, du hast einen Bruder, den du liebst. Du solltest das begreifen. Ich tue alles, um Johns Mörder zu finden.«
»Laß Ali aus dem Spiel!«
»Er ist ein Bruder. John war ein Bruder.«
Der Iraner verstummte und schien über Lennarts Worte nachzudenken.
»Ich finde, du bist ein Stück Scheiße«, sagte er schließlich und stand mit der Pistole in der Hand auf. »Zieh einen Pullover an. Ich will niemanden töten, der eine nackte Brust hat.«
»Bring mich ruhig um, du dummes Schwein, denkst du, das macht mir was aus?« sagte Lennart stur und sah Mossa trotzig an.
Mossa lächelte.
»Du hast sie wirklich nicht mehr alle«, sagte er.
»Hast du John umgebracht?«
Der Iraner schüttelte den Kopf und hob die Pistole, so daß sie in Kniehöhe auf Lennarts Bein gerichtet war.
»Ich war es nicht«, sagte Lennart, während der Schweiß ihm das Gesicht herablief. In gewisser Weise war er erleichtert. Er hatte diese innere Ruhe schon einmal verspürt, eines Nachts, als er im Suff Herzflimmern bekommen hatte. Damals war er bereit gewesen zu sterben, versöhnt mit seinem erbärmlichen Leben. Er war in jener Nacht aufgestanden und hatte Wasser getrunken, sich im Spiegel betrachtet und wieder hingelegt, während sein Herz unruhig in seinem Brustkorb pochte.
Mossa hob die Pistole noch ein paar Zentimeter höher.
»Du erinnerst mich an einen Armenier, den ich einmal getroffen habe«, meinte er. »Er hatte auch keine Angst vor dem Tod.«
Lennart sank auf die Knie.
»Ziel auf meinen Kopf«, sagte er und schloß die Augen.
Mossa senkte die Pistole, trat Lennart ins Gesicht und beugte sich über ihn.
»Wenn du schon im Leben deines Bruders herumschnüffeln willst, dann solltest du dich lieber mit seiner Frau, dieser Hure, unterhalten«, zischte er und verließ die Wohnung. Lennart, der durch den Tritt umgekippt war, blieb auf dem Boden liegen, bis er vor Kälte zitterte.
Zwanzig Minuten später hatte er eine heiße Dusche genommen und sich in die Bettdecke gehüllt. Seine Lippe war aufgeplatzt, und er hatte sie mit Tape überklebt, so daß es nicht mehr blutete. Als es klingelte, zuckte er zusammen. Er hatte völlig vergessen, daß Lindell ihn besuchen wollte, so daß er auf alles gefaßt war, als er die Tür öffnete, außer auf den Anblick eines Kinderwagens.
»Ach ja, verdammt«, sagte er und trat zurück.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer.
»Was ist
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