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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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sehr leid, was passiert ist. Er war ein anständiger Mensch.« Unbewußt benutzte sie Ottossons Ausdruck.
    »Aha«, sagte Berit tonlos.
    »Ich glaube«, fuhr Lindell fort, »daß er wegen Geld ermordet worden ist, und ich glaube, daß Sie jetzt auf diesem Geld sitzen.«
    »Wie bitte, ich soll auf Geld sitzen?«
    Berit schüttelte den Kopf. Die Eindrücke und Fragen wurden ihr allmählich zuviel. Erst Lennart, dann Justus und jetzt auch noch diese Freizeitpolizistin.
    »Dies würde bedeuten, daß Sie möglicherweise in Gefahr sind«, sagte Lindell.
    Berit sah sie an und versuchte die Bedeutung von Lindells Worten zu erfassen.
    »Ehrlich gesagt, das Geld interessiert mich nicht. Es gehörte John, und jetzt gehört es Ihnen, aber viel Geld ist immer auch ein Risiko.«
    Von Lindells Seite war es ein Schuß ins Blaue. Sie hatte keine Ahnung, ob das Mordmotiv wirklich Geld war, geschweige denn, ob Berit ahnte, wo es sich befand. Nichts an Berits Reaktion deutete jedenfalls darauf hin, daß sie etwas über den Verbleib von Johns Pokergewinn wußte.
    »Nehmen wir einmal an, daß er gewann. Hatte er einen Freund, dem er sich anvertraut haben könnte?« fragte Lindell.
    »Nein«, antwortete Berit, ohne zu zögern.
    Sie dachte an Micke, und Lennarts Worte fielen ihr wieder ein.
    »Was ist mit Micke?« meinte Lindell, als hätte sie Berits Gedanken gelesen.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?« erwiderte Berit. »Sie kommen spätabends mit einem Baby im Arm zu mir und stellen eine Menge Fragen. Wollen Sie sich wichtig machen?«
    Lindell schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf Erik, der friedlich schnorkelte.
    »Nein«, sagte sie, »mir kamen da nur ein paar Gedanken. Ich habe heute mit einem Kollegen gesprochen und mir eingebildet, daß … nun ja, ich weiß auch nicht recht.«
    Sie sah die Frau an, die vor ihr saß. Man hatte gesagt, sie sei hübsch, und Lindell konnte Berits Schönheit durchaus noch erkennen, aber vieles davon war ausradiert worden. Müdigkeit, Trauer und Anspannung hatten tiefe Furchen hinterlassen; ihre Körperhaltung zeugte von großer physischer und psychischer Erschöpfung.
    »Wie geht es Ihrem Sohn?«
    Berit schluchzte auf. Wehrlos stand sie vor Lindell, schaute die Polizistin an und weinte. Ann hatte schon viel erlebt, aber Berits Gesicht drückte die tiefste Verzweiflung aus, die sie jemals gesehen hatte. War es die Lautlosigkeit ihrer Tränen, die diese Verzweiflung besonders qualvoll machte? Mit Schmerzens- oder Trauerschreien und dem Scherbenhaufen eines Lebens konnte Lindell umgehen, Berits fester Blick und deren Tränen rührten sie hingegen sehr. Der Junge auf der Couch maulte kurz, und Lindell spürte, daß sie selber den Tränen nahe war.
    »Ich muß dann wohl gehen«, sagte sie, strich sich über die Augen und versuchte sich zusammenzureißen. »Es war albern von mir, hierher zu kommen. Ich hatte nur so ein seltsames Gefühl.«
    Berit nickte. Lindell hob Erik hoch.
    »Sie können ruhig noch ein wenig bleiben, wenn Sie möchten«, sagte Berit.
    »Ich kann nicht«, sagte Lindell.
    Eriks Wärme und seine kaum merklichen Bewegungen unter dem Overall bestärkten sie in dem Entschluß, Berit und die Ermittlungen hinter sich zu lassen. Es war nicht ihr Fall, sie war im Erziehungsurlaub, und in Kürze würden ihre Eltern aus Ödeshög eintreffen.
    »Sie können«, sagte Berit, und Lindell wunderte sich über die Wandlung der Frau. »Ich weiß nicht, warum Sie hergekommen sind, und es spielt auch keine Rolle, aber es war Ihnen wichtig, nicht wahr?«
    »Ich weiß es selber nicht«, erwiderte Lindell, »es war ziemlich bescheuert und unprofessionell.«
    Berit machte eine Geste, als wollte sie sagen, unprofessionell oder nicht, jetzt war Lindell nun einmal da.
    »Also schön, ich bleibe noch, wenn ich etwas zu trinken bekommen kann. Ich habe einen solchen Durst.«
    Während Berit ihr eine Cola holte, legte Lindell das Würmchen wieder ab, öffnete seinen Overall und schob ihm den Schnuller in den Mund. Erik schlief. Sie drehte sich zum Aquarium um. Es war wirklich riesengroß. Fasziniert folgten ihre Augen den Fischschwärmen.
    »Sie haben unterschiedliche Reviere«, erklärte Berit, als sie aus der Küche zurückkehrte. »Darauf war John besonders stolz. Er hat einen afrikanischen See im Miniaturformat geschaffen.«
    »Ist er einmal in Afrika gewesen?«
    »Aber nein, wo denken Sie hin. wie hätten wir uns das leisten sollen? Wir durften ein bißchen davon träumen, besser gesagt, er übernahm das

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