Der Tote in der Wäschetruhe
heftiger. Wegmann droht Juliane: »Ich überlasse dich keinem anderen. Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um.«
Und nun dieser Brief von seiner Freundin. Juliane macht darin Schluss. Harry Wegmann rennt vom Briefkasten zum Telefon, fleht die Geliebte an, zu ihm zu halten, sie erwarte doch ein Kind von ihm. Er fährt nach Cottbus, einmal, zweimal, dreimal. Juliane bleibt bei ihrer Entscheidung, zumal die Eltern, vor allem die Mutter, die Beziehung zu dem älteren Freund nur mit vielen Vorbehalten akzeptiert, sie aber nie aus vollem Herzen begrüßt hatten. »Juliane gehört mir, sonst keinem« - der Gedanke wird immer stärker.
Inzwischen ist der neue Tag bereits eine Stunde alt. Die Mit-ropa-Gaststätte schließt. Harry Wegmann macht sich auf den Weg, bereit, seinen Plan zu verwirklichen. Mut und Kaltblütigkeit dafür hat er sich seit 17 Uhr aus drei Flaschen und zehn Glas Bier angetrunken.
Alles, was er für sein Vorhaben braucht, steckt im Waschbeutel, in Hosen- und Jackentaschen. Im Betrieb hat sich Wegmann aus einem großen Nagel einen Dietrich geformt. Vor Antritt der Fahrt hat er zudem ein Fahrtenmesser mit stabiler Klinge und ein Campingbeil gekauft. Zu seiner Ausstattung gehört außerdem eine Rasierklinge.
Seit dem Aufbruch aus dem verräucherten Lokal ist eine dreiviertel Stunde vergangen. Dann steht Wegmann vor dem »Haus des Handwerks« auf dem Cottbuser Altmarkt. Von der Klosterstraße aus betritt er den Hof der Familie Ragow. Er weiß von früheren Besuchen bei Juliane, dass er nicht direkt in die Wohnung eindringen kann. Ein Riegel versperrt von innen die Haustür. Doch es gibt einen anderen Zugang, über einen angrenzenden Saal. Mit mitgebrachten Schlüsseln und dem Dietrich gelingt es, zwei Türen zu öffnen. Wegmann steht im Haus. Der Eindringling schleicht am Elternschlafraum vorbei die Treppe hinauf ins Obergeschoss, wo seine Freundin ihr Zimmer hat. Harry Wegmann rüttelt sie wach und fordert sie auf, zu ihm zurückzukehren. »Du liebst mich doch und bekommst ein Kind von mir«, sagt er und behauptet, dass sie nur dem Drängen der Eltern nachgegeben habe. Während des Gesprächs holt er das Fahrtenmesser aus dem Waschbeutel hervor und legt es auf die Kopfseite des Bettes. Juliane achtet nicht darauf. Unmissver-ständlich macht sie dem Exfreund klar, dass wirklich Schluss sei, und zwar nicht, weil die Eltern es so wollen, sondern weil sie seine Eifersucht, seine Drohungen und Wutanfälle nicht mehr ertragen kann.
Wegmann will Julianes Entschluss nicht akzeptieren. »Erstich mich!«, fordert er Juliane auf und greift nach dem Messer. Er gibt es ihr jedoch nicht, sondern geht auf sein Opfer los. Erst jetzt erkennt das Mädchen die Gefahr des Augenblicks. »Mutti, Mutti«, ruft es und versucht, vor dem Täter zu flüchten. Juliane kommt jedoch nur bis zum Fußende des Bettes. Wegmann ergreift sie, hält mit der rechten Hand ihren Mund zu, sticht mit dem Fahrtenmesser in der linken Hand auf den Oberkörper des Opfers ein. Seine Freundin blutet und verliert das Bewusstsein.
Durch den Krach und die Schreie der Tochter aus dem Schlaf geschreckt, hastet Hertha Ragow die Treppe hoch. Wegmann ist auf das Kommen vorbereitet, hat die Situation in den letzten Tagen in Gedanken mehrfach durchgespielt. Er löscht das
Licht im Kinder- und Wohnzimmer, geht zur Flurtür, durch die die Eltern kommen müssen. Als Hertha Ragow zur Tochter will, sticht der Täter sie nieder. Die Mutter versucht vergeblich, mit den Händen Gesicht und Körper zu schützen. Sie stürzt zu Boden, stöhnt mehrfach auf und bleibt dann regungslos liegen.
Kurt Ragow folgt wenig später seiner Frau. Im Flur erkennt er den Mann mit dem Messer in der Hand. »Harry, was machst du? Bleib ein Mensch«, fleht er ihn an. Wegmann schreit ihn an: »Du bist doch selbst schuld. Hast mich zum Mörder gemacht.« Dann rammt er ihm mit aller Kraft das Messer in den Bauch. Der Mann bricht zusammen, versucht, sich mit letzter Kraft aufzurichten. Es gelingt ihm nicht.
Wegmann wendet sich ab, ohne sich um die Opfer zu kümmern. Er geht in das Kinderzimmer und schaltet die Nachttischlampe ein. Plötzlich hört er Juliane wimmern: »Vati, wo bist du, hilf mir!« Sie fordert ihren Exfreund auf, den Vater zu ihr zu bringen. Wegmann schleppt den blutenden Mann an das Bett des Mädchens. Dieser bittet nach kurzer Zeit, wieder auf die Toilette gebracht zu werden. Der Täter tut das Verlangte. Er ist überzeugt, dass sein Opfer sterben wird.
Wegmann
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