Der Tote in der Wäschetruhe
des Bezirksgerichtes Cottbus statt. Wie schon im polizeilichen Ermittlungsverfahren gesteht Harry Wegmann die Taten. Wegen zweifachen Mordes an Hertha und Kurt Ragow, versuchten Mordes sowie vorsätzlicher Körperverletzung an deren Tochter Juliane wird er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
»Der Angeklagte hat sein verbrecherisches Ziel, Menschen zu töten, mit Hartnäckigkeit verfolgt und schließlich auch brutal, intensiv und hemmungslos verwirklicht«, so die Richter. »Die schweren Straftaten des Angeklagten weisen aus, dass es ihm an der Achtung vor dem Leben anderer Menschen, einer Grundvoraussetzung des menschlichen Zusammenlebens, fehlt«, heißt es in der Urteilsbegründung. Trotz der Konfliktsituation, in der sich der Angeklagte befunden habe, und einem Blutalkoholwert von 0,7 Promille habe eine erhebliche Beeinträchtigung bei ihm während der Tataus-führung nicht vorgelegen, stellt das Gericht im Ergebnis der dreitägigen Verhandlung fest.
Das Oberste Gericht der DDR bestätigt die Strafe und verwirft damit die Berufung der Verteidigung Wegmanns. Diese war der Meinung, dass die Taten nur als Körperverletzung mit Todesfolge zu bewerten seien. Schließlich habe der Angeklagte Hilfe herbeigerufen, sei von der Tötungsabsicht zurückgetreteil, so die Begründung.
Im Fall von Juliane Ragow stimmt das, aber für die Eltern kam jede Hilfe zu spät. »Der Angeklagte hatte sich bewusst zur Tötung dieser beiden Personen entschieden«, steht dazu in der Urteilsbegründung der obersten Richter.
Mitte August 1991 wird Harry Wegmann mit fünfjähriger Bewährungszeit aus dem Gefängnis entlassen.
DAS ENDE EINER JUGENDLIEBE
Katja Radunke ist 14, ein Alter, in dem erste Liebesgefühle sprießen. Wenn sie darf, geht sie am Wochenende mit den Mädels zum Tanz oder zur Disko, entweder im heimischen Massen bei Finsterwalde oder in die Gaststättensäle umliegender Dörfer. So auch am 2. September 1978. In Tenneberg, einem der ländlichen Ortsteile von Massen in der Niederlausitz, quasi direkt vor der Haustür von Katja, ist an diesem Samstag mächtig was los, ein richtiger Dorf bums. Da kommen Jungs aus Städten wie Finsterwalde und aus Doberlug-Kirchhain. Vielleicht kommt ja auch der Junge, der es ihr angetan hat. Er wohnt in Doberlug-Kirchhain, ist ein Jahr älter als sie, hat schwarzes Haar, breite Schultern, einen athletischen Körper und sonnengebräunte Haut. Ein richtiger Mann ist er. Erst kürzlich hat sie ihrer Freundin Julia vorgeschwärmt, was für ein geiler Typ das ist. Zweimal haben sie sich schon getroffen bei Tanzveranstaltungen wie heute. Sie sind spazierengegangen, haben sich geküsst, er hat ihre Brüste berührt, sie hat seinen Penis durch die Hose gespürt. Mehr verrät sie nicht. Seit Pfingsten kennt sie ihn und ist bis über beide Ohren verliebt. Unter der Woche ist er für sie unerreichbar, zeigt auch kein Interesse, hat vielleicht sogar eine andere. Es war immer Zufall, wenn sie sich getroffen haben, meistens auf Tanzveranstaltungen. Doch Katja schwirren Schmetterlinge im Bauch, wenn sie nur an ihn denkt.
An Akazienblättern hat sie abgezählt: »Er kommt, er kommt nicht, er kommt ...« und: »Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich ...« Sie kann den Abend kaum erwarten. Mutti und Vati haben ihr erlaubt, dass sie bis Mitternacht bleiben darf. Rainer, ihr großer Bruder, ist auch auf dem Tanz. Er soll auf sie aufpassen, haben ihm die Eltern aufgetragen. Das ist für Katja kein Problem. Sie versteht sich gut mit ihm, auch wenn es zwischen ihnen öfter Streit gibt. Unter Geschwistern ist das eben so. Außerdem hat Rainer mit seinen Freunden zu tun, und nach Mädels guckt er auch. Es wird also nicht so schlimm werden mit der brüderlichen Aufsicht.
Um 18 Uhr hat sich Katja mit Freundinnen aus dem Dorf verabredet. Gemeinsam schlendern sie zur nahegelegenen Gaststätte. Der Saal ist bereits gut gefüllt, der Tanz hat jedoch noch nicht begonnen. Katja kennt eine Menge Leute. Sie sind aus ihrer Klasse, aus dem Dorf oder aus Nachbarorten. Er ist noch nicht da. Enttäuschung macht sich breit.
Ihr Herz beginnt zu rasen, als er schließlich mit sechs Freunden auftaucht. Die Gruppe ist von Doberlug-Kirchhain mit dem Zug bis Finsterwalde gedampft und dann mit den Fahrrädern die paar Kilometer bis Tenneberg geradelt. Mehr als ein kurzes »Hallo« hat der Umschwärmte für Katja nicht übrig, als er an ihr vorbeigeht. Die Jungs setzen sich an einen Tisch in der Nähe der Bar.
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