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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Swat
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Industriestadt Lauchhammer schwer lastet. Die Sonne hatte es schwer, den Vorhang aus aufsteigender Feuchtigkeit und rußgeschwängerten Rauchschwaden der Kohlefabriken zu durchdringen. Es bricht bereits die Dunkelheit heran, dabei ist es nie richtig hell geworden.
    Im Polizeirevier in Lauchhammer Mitte - die Stadt teilt sich in Nord, Süd, Ost, West und eben in Mitte, was so viel wie Zentrum bedeuten soll - geht der Dienstalltag seinen gewohnten Gang. Den Streifenpolizisten ist ebenso wenig Aufregendes begegnet wie den Wachhabenden im Revier. Die Menschen hasten durch die Straßen. Die glücklichen Besitzer der heißbegehrten Kleingärten, von denen es auch in Lauchhammer viel zu wenige gibt, nehmen Kurs auf ihre Datschen an den Rändern des Städtchens. Mütter holen nach der Arbeit in der Kokerei, der Brikettfabrik oder dem Synthesewerk im benachbarten Schwarzheide ihren Nachwuchs aus Krippen und Kindergärten ab, reihen sich ein in die Schlangen in der Kaufhalle, schleppen das Erstandene in Stoff beuteln und Einkaufsnetzen nach Hause. Hausaufgaben kontrollieren, Abendbrot bereiten, nach dem Sandmann die Kinder ins Bett bringen, dann endlich Erholung vor dem Fernsehapparat. Die Wahl fällt leicht zwischen dem ersten und zweiten Programm des DDR-Fernsehens. Glücklich ist, wer der Flimmerkiste den einen oder anderen Westsender entlocken kann.
    Dieser scheinbar belanglose 21. September 1984 ist dennoch einer, der später noch für viel Gesprächsstoff sorgen wird. Am frühen Abend, die »Aktuelle Kamera« bringt gerade das Interessanteste der halbstündigen Sendung, die Wetteraussichten, klingelt Beate Bauer die Polizisten in der Wache aus dem Diensteinerlei heraus. Die junge, schwarzhaarige Frau Anfangzwanzig wird von einem älteren Ehepaar begleitet. Es sind ihre Schwiegereltern. Die drei sind aufgeregt.
    Frank, der Ehemann und Sohn, ist verschwunden, erzählt Beate Bauer. Gegen 4 Uhr morgens habe ihr neun Monate altes Baby nach dem Fläschchen verlangt. Verwundert habe sie bemerkt, dass der Platz neben ihr im Ehebett verlassen war. Frank sei schon die ganze Nacht unruhig gewesen. Sogar fantasiert habe er im Schlaf, erzählt sie aufgeregt. Gegen 2 Uhr sei sie von den Gesprächsfetzen ihres Mannes munter geworden, sagt sie dem Polizisten, der die Vermisstenanzeige aufnimmt. Niemand habe ihn seitdem gesehen.
    Den ganzen trüben Tag lang hat Beate versucht, eine Spur ihres Mannes zu finden. Zunächst ist sie nicht sonderlich beunruhigt. Frank arbeitet viel, um Geld zu verdienen; für die moderne Schrankwand, den Farbfernseher, die Stereoanlage, den Waschautomaten. All das ist knapp in der sozialistischen Planwirtschaft der DDR. Und es ist teuer. Ohne große Sorgen bringt die junge Frau früh um halb sieben die gemeinsame Tochter Sybille mit dem Bus in die Kinderkrippe nach Schwarzheide. Wieder zu Hause eingetroffen, räumt sie auf, meldet sich telefonisch in der Poliklinik zur Behandlung an. Auf dem Heimweg erledigt die junge Frau ein paar Einkäufe. Es ist 10 Uhr, als sie im Treppenhaus auf dem Weg zur Wohnung ihre Nachbarin, Christa Müller, trifft. »Hast du meinen Mann gesehen?«, fragt sie. Diese schüttelt den Kopf. Auch die Martins, ein älteres Ehepaar, das ebenfalls in dem Haus wohnt, und dem sie später begegnet, haben Frank nicht gesehen. Am späten Mittag schließlich ruft Beate im Betrieb ihres Mannes an. Der sonst so pünktliche Frank Bauer ist nicht zur Arbeit erschienen. Meister Kleemann fährt sofort zu den Bauers. Beate erzählt dem Chef ihres Mannes, dass Frank noch vor 4 Uhr morgens das Haus verlassen haben muss. Sie beschreibt ihm, später auch der Polizei und ihren Eltern in Schwarzbach, Franks Bekleidung: den kurzen, weiß-blau gestreiften Schlafanzug muss er angelassen, den blauen Rollkragenpullover und die gleichfarbene Arbeitslatzhose gleich drübergezogen haben. Auch die schwarzen Freizeitschuhe, die er immer zur Arbeit trägt, fehlen.
    Die Suche beginnt. Streifenpolizisten haben Fotos von dem Vermissten in ihren Kartentaschen, die zu ihrer Ausrüstung gehört. In den Krankenhäusern der Umgebung wird nachgeforscht, ob ein Mann eingeliefert wurde, auf den die Beschreibung von Frank Bauer zutreffen könnte. Gaststätten werden aufgesucht, Verwandte, Bekannte, Freunde befragt. Niemand hat Frank Bauer gesehen. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.
    Sechs Tage später. Der September geht zu Ende. Die Kleingärtner und Datschenbesitzer beginnen, ihre Parzellen auf den Winter vorzubereiten. Die

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