Der Tote in der Wäschetruhe
angefangener Beutel Tapetenleim. In einem Körbchen liegt Dederonschnur. Sie gleicht dem Material, mit dem das Opfer und die Truhe verschnürt waren. Im Keller der Wohnung steht links neben der Tür ein Winkelstahl. Jeweils 57 Zentimeter lang sind beide Schenkel und fünf Zentimeter breit. Bei der gerichtsmedizinischen Sektion in Dresden wird später nachgewiesen, dass die ausgedehnten Knochenzerstörungen des Gesichtsschädels, des vorderen Schädeldaches und der Schädelbasis des Opfers mit einem Winkeleisen verursacht wurden. »Aus unserer Sicht waren es sehr kräftige (Kopfkissenabdeckung!) Schläge, mindestens 10, wahrscheinlich aber mehr, keinesfalls wesentlich weniger«, heißt es im Sektionsbericht. An einem Zweiradanhänger, der im Schuppen der Bauers steht, wird am Zinkkasten Blut entdeckt. Auch Spuren von frisch abgeschlagenem Putz werden gesichert. Zwei Putzlappen liegen herum. Der Geruch von Verwesung geht von ihnen aus. Für die MUK steht fest: Frank Bauer wurde in seiner eigenen Wohnung getötet.
Die anfängliche Selbstsicherheit von Beate schwindet. Am
Abend, während einer Vernehmung, bricht es aus ihr heraus. Was sie erzählt, klingt unglaublich.
»Es war gegen 2 Uhr morgens. Plötzlich hat Frank neben mir aufgeschrien: >Lasst mich in Ruhe!< Ich bin aufgewacht. Ein fremder Mann stand neben mir, hat mich erst festgehalten, dann aus dem Bett gezerrt, ins Kinderzimmer geführt und gedroht: >Wenn du nicht still bist, geschieht dir das Gleiche«, beginnt sie die Schilderung des nächtlichen Geschehens. Sie habe aus dem Schlafzimmer Wimmern und dumpfe Schläge gehört. »Ich wollte meinem Mann zur Hilfe eilen, bin aber brutal zurückgestoßen worden. Voller Angst habe ich mich dann zu meiner Tochter auf die Liege gelegt und abgewartet, was passiert«, sagt sie weiter.
Etwa eine Stunde lang habe das Geschehen im anderen Zimmer gedauert, gibt Beate Bauer zu Protokoll. Dann sei einer der Fremden zu ihr gekommen und habe befohlen: »Wir verziehen uns jetzt. Den Rest machst du. Wenn du etwas sagst, bist du als Nächste dran.«
Im Schlafzimmer sei das Ehebett durchwühlt gewesen, Bettlaken und Kopfkissen hätten gefehlt. »Alles war voller Blut«, berichtet sie. Sie habe in die Truhe geschaut, die mit etwas Unförmigem bis zum Rande gefüllt war. Am Morgen habe sie wie immer ihre Tochter in die Krippe gebracht, wollte später mit dem Fahrrad zur Volkspolizei fahren. »Im Fahrradkeller ist wieder einer von denen aufgetaucht. Er hat mich aufgefordert, alle Spuren in der Wohnung zu beseitigen«, setzt die 22-Jährige ihre Aussage fort. »Lass das mit der Polizei. Wir beobachten alles«, sei ihr unmissverständlich deutlich gemacht worden.
Wie sind die Täter in die Wohnung gekommen? Spuren eines Einbruches haben die Kriminaltechniker nirgendwo gefunden. Warum haben sie keine Tatwaffen mitgebracht, wenn sie Frank Bauer schlagen oder töten wollten? Woher wussten sie von dem Winkeleisen, das nach Angaben der Ehefrau in einem Schrank im Korridor gelegen hat? Warum haben die Täter die Zeugin verschont, die sie identifizieren könnte? Die Ermittler der Cottbuser Morduntersuchungskommission zweifeln an dem
Bericht. Sie glauben der jungen Frau kein Wort. Zu viele Fragen bleiben offen.
Die Kriminalisten konfrontieren Beate Bauer mit den Ungereimtheiten. Sie bricht zusammen, ist aber zur Wahrheit noch immer nicht bereit. Die junge Frau reagiert hysterisch und äußert Selbstmordgedanken. Ärzte müssen gerufen werden. Beate wird in einem »akuten psychischen Schockzustand« ins Bergmannkrankenhaus Klettwitz eingeliefert. Dort beruhigt sie sich.
Am Morgen frühstückt sie mit einer Wärterin und sagt: »Heute packe ich aus.«
Beate Bauer gesteht das Unfassbare: Sie hat am 21. September 1984 zwischen 2 und 4 Uhr morgens ihren Mann getötet. Am 29. September 1984 wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus Haftbefehl gegen Beate Bauer erlassen. Fünf Tage später schreibt sie auf 13 Seiten auf, was sich ereignet und warum sie ihren Ehemann getötet hat.
Wer ist diese Frau, die so kaltblütig ihren Mann tötet und ihn wie Abfall auf den Müll schmeißt?
Beate Bauer wird im Juli 1962 geboren. Sie ist das dritte von vier Kindern des Lehrerehepaars Reinhard und Marie Müller. Die Familie lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Senf-tenberg. Beate nimmt zunächst eine typische Entwicklung: Sie besucht den Kindergarten, kommt mit sechs Jahren in die Schule, wird Pionier, tritt dann in die Jugendorganisation FDJ
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