Der Tote in der Wäschetruhe
hat, beweist ein Gespräch mit dem Jungen zu diesem Thema während der psychologischen Untersuchung:
Frage: Wenn du onanierst, stellst du dir da was vor?
Antwort: Naja, ein paar Weiber und so, von unserer Klasse.
Frage: Und, was hast du dir vorgestellt?
Antwort: Wie sie mit mir vögeln.
Frage: Was ist dir lieber, wer anfängt?
Antwort: Wenn sie anfängt.
Frage: Und wie stellst du dir das am schönsten vor?
Antwort: So genau habe ich mir das nicht vorgestellt.
Frage: Wie hast du dir den Ablauf vorgestellt?
Antwort: Na, man zieht sich aus und dann den Geschlechtsverkehr. Glied in die Scheide einführen und dann Samenerguss. Wie lange das dauert bis zum Samenerguss, weiß ich nicht.
Frage: Was macht man noch?
Antwort: Das weiß ich nicht.
Frage: Liegt er auf ihr oder umgekehrt?
Antwort: Das weiß ich nicht.
Frage: Hast du kein Bild vor Augen?
Antwort: Ich dachte, einfach rinn und dann Samenerguss.
Frage: Und wie sollte das mit Michaela sein?
Antwort: Na, auch bloß reinstecken.
Er weiß kaum etwas von den Vorgängen, die beim Akt zwischen Frau und Mann vor sich gehen, obwohl das in dieser Altersgruppe allgemein bekannt ist. Er ist noch nicht auf einen Typ Mädchen festgelegt, will eher Blond- als Schwarzhaarige. Die Größe der Brust ist ihm egal, nur die Beine dürfen nicht so dünn sein. Sechs bis sieben Freundinnen will er schon gehabt haben, doch angefasst oder geküsst hat er keines der Mädchen.
Geschlechtsverkehr ist ihm praktisch noch fremd. Anzeichen für pädophilie Neigungen oder gar sexuelle Gewaltfantasien schließen Psychiater bei ihm aus. Michaela ist ihm über den Weg gelaufen, als er sexuell erregt war, und Harald hat sie sich genommen, um sich zu befriedigen und sie zur Verdeckung der Tat getötet.
Bei allen Entwicklungsdefiziten, die Harald ohne Zweifel hat, stellen die Gutachter in der Berliner Charite am Ende der nervenärztlichen Untersuchungen fest, dass er zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig war.
Die Staatsanwaltschaft Cottbus klagt Harald Kuttzer im Juli 1976 an, »die sexuelle Unantastbarkeit eines Kindes verletzt und einen Menschen getötet zu haben«. In der Anklageschrift heißt es:
Der Beschuldigte hat eines der verabscheuungswürdigsten Verbrechen begangen. Er hat sich skrupellos zur Befriedigung persönlicher Begierden über alle Normen des Zusammenlebens und des Schutzes unserer Kinder hinweggesetzt und zur Vertuschung eines Sexualverbrechens ein weiteres - noch schwereres - Verbrechen begangen.«
Einen Monat später findet der Prozess vor dem Bezirksgericht statt. Der erste Strafsenat folgt nach einer zweitägigen Beweisaufnahme der Auffassung der Anklagebehörde und verurteilt Harald Kuttzer wegen Mordes und Vergewaltigung zu 15 Jahren Gefängnis. Es ist nach dem Strafgesetzbuch der DDR die höchstmögliche zeitliche Freiheitsstrafe. Sein kaltblütiges und berechnendes Vorgehen während des gesamten Handlungsablaufs lassen nur dieses harte Urteil zu, so die Richter.
Leid schweißt nicht immer zusammen
33 Jahre nach dem schrecklichen Mord an Michaela Moritz. Die Sonne lacht an diesem Wochenende im Frühherbst 2009. Wir sitzen im Garten der Familie Moritz in Mauckendorf, um darüber zu sprechen, welche Spuren der Tod von Michaela in ihrem Leben hinterlassen hat. Es gibt Kaffee und Pflaumenkuchen. Es ist alles so normal an diesem Samstagnachmittag, doch die Normalität ist zerbrechlich, auch jetzt noch, über drei Jahrzehnte nach dem Trauma im Februar 1976.
Leid schweißt nicht immer zusammen«, sagt Gerda Moritz leise und sachlich. Die Erinnerung steigt wieder hoch an die Zeit, als der Tod der Tochter Gewissheit ist und doch unbegreifbar bleibt. »Wir haben mit meinem Mann nie darüber gesprochen«, sagt Gerda Moritz und fügt hinzu: »Wir haben beide gelitten wie die Hunde und lange gebraucht, um wieder zueinander zu finden.«
Gerda und Werner Moritz mussten bleiben, obwohl sie gern davongelaufen wären angesichts des Unfassbaren, das doch täglich so fassbar war. Der Weg durch den Wald, den die neunjährige Michaela gefahren ist, um etwas Milch aus dem Konsum in Knappenrode zu holen, beginnt vor dem Grundstück der Familie Moritz, und das ist Familienbesitz seit Generationen. Die Stelle an der Bahnlinie und dem Wassergraben, wo der Leichnam der Tochter gefunden wurde, ist nur einen Steinwurf vom Haus entfernt. Und trotzdem musste Michaela sterben. »Wenn sie geschrieen hätte, ich hätte es doch gehört«, ist Werner Moritz noch heute überzeugt. In dem Satz
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