Der Tote in der Wäschetruhe
ein. Die Schule fällt dem fleißigen, aufgeweckten und ehrgeizigen Mädchen leicht. Es gehört stets zu den Klassenbesten. Mit Beginn der neunten Klasse wird Beate auf die Erweiterte Oberschule delegiert. Das Abitur schafft sie mit guten Noten.
Schon sehr früh engagiert sie sich für die gesellschaftliche Arbeit, wird in die FDJ-Leitung der Schule gewählt. Es fällt ihr aber zunehmend schwerer, schulische Anforderungen und das ehrenamtliche Engagement unter einen Hut zu bringen. Gesundheitliche Probleme treten auf. Im Sommer 1977 ist sie Helferin in einem Ferienlager. Bei einer Wanderung rutscht sie aus, stürzt von einem Felsen und muss zwei Wochen lang mit Gehirnerschütterung in einem Krankenhaus behandelt werden. Mehrfach fällt sie aus heiterem Himmel in Ohnmacht. Es kommt vor, dass sie danach einige Zeit nicht laufen und sprechen kann. Die Ärzte stellen Blutunterdruck als Ursache fest, der im Zusammenhang mit Anspannung und Erregung zu den Zusammenbrüchen führt. 1980 wird sie im Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Lübben behandelt. Ernste Erkrankungen werden nicht festgestellt. Die Ärzte empfehlen autogenes Training, um innerlich Ruhe zu finden.
Sie begeistert sich für Musik und will die Musikschule besuchen, aber ihre Begabung reicht nicht aus. Ihre Berufswünsche als Gesangspädagogin oder Bühnenbildnerin bleiben Träume. Die Ablehnungen für beide Studienrichtungen schmerzen. Beate Bauer vollzieht einen Schwenk von den musischen Künsten hin zu einem Beruf, der als Männerdomäne gilt. Sie lässt sich für ein Studium an der Ingenieurhochschule für Bauwesen in Cottbus immatrikulieren, absolviert dafür ein Praktikum in einem Baubetrieb in Senftenberg, qualifiziert sich zum Teilbaufacharbeiter. Das Studium überfordert sie, intellektuell wie gesundheitlich. Sie bricht es ab, jobt als Sekretärin, Verkäuferin und in der Datenverarbeitung.
Die junge Frau wird mit 18 Jahren als Mitglied in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands aufgenommen. Ihre durch Überzeugung ausgeprägte Vorliebe für die gesellschaftliche Arbeit, aber auch Geltungsbedürfnis und Streben nach Anerkennung bringen sie in Konflikte mit sich selbst und mit anderen. Sie streut während der Schulzeit und des Studiums Gerüchte, denkt sich Geschichten über Studenten aus und schwört ein ums andere Mal auf deren Wahrheitsgehalt. Das isoliert die junge Frau. Sie sucht früh intimen Kontakt zu Männern, wird mit 17 Jahren schwanger, lässt das Kind abtreiben, verlobt sich mit 18 Jahren und löst ein Jahr später diese Bindung. Gegenüber dem Gutachter der Medizinischen Akademie Dresden beschreibt sich Beate Bauer als einen Menschen, der innerlich sehr intensiv lebt, fantasiereich und in bestimmten Positionen widersprüchlich ist. Es sei ihr einerseits schwer gefallen, sich Grenzen zu setzen, um etwa ein vernünftiges Verhalten in der Gruppe zu gewährleisten. Andererseits habe sie sich ganz anders gegeben, als sie leben wollte. Als Beispiel dafür nennt sie den lebhaften Umgang mit männlichen Partnern.
Der Gutachter stellt fest: »Dieses Widersprüchlich-Bewegende, fantasievolle Ausleben, das stark gefühlsmäßig Besetzte dürften wesentliche Züge ihrer Persönlichkeit sein.« Leidenschaftliches starkes Entflammen oder Aufbegehren lassen nach Ansicht des Psychiaters in starker Gemütsbewegung der Vernunft wenig Raum. Positive Aspekte wie Zuwendung und Liebe können schnell in Ablehnung und Hass umschlagen. Im Gutachten ist von »narzisstischen« oder »hysterischen« Charakterzügen die Rede. Wörtlich heißt es:
»Egozentrische Geltungsbetonung, Selbstüberschätzung und Bedürfiiis nach Effekt, Tendenz zur Dramatisierung, starke auch fantasievolle Darstellungstendenzen und zum Teil kindhafte Bedürfiiisse nach Zuwendung und Anerkennung, Labilität und Gemütsbewegung und leicht in Kränkung geratend bei subjektivem Versagen sind für solche Menschen typisch.«
Trotz dieser von der Norm abweichenden Persönlichkeitsnachteile trägt Beate Bauer nach Einschätzung der Gutachter die volle Schuld für ihre Tat.
Am 26. April 1985 klagt die Staatsanwaltschaft Beate Bauer beim Bezirksgericht Cottbus wegen Mordes an. Aus Wut und Hass habe sie ihren Mann mit mindestens zehn kräftigen Kopfschlägen mit einem etwa 60 Zentimeter langen Winkeleisen getötet, heißt es in der Anklageschrift.
Nach Aussage der Beschuldigten hat sich Folgendes zugetragen: Am 20. September besucht Beate Bauer mit ihrer kleinen Tochter
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