Der tote Raumfahrer
weitgehend übereinstimmten, konnte daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, daß sich die Lebensbe-dingungen von Charlies Ursprungsplaneten nicht bedeutend von denen auf der Erde unterscheiden konnten.
Nun, sagte sich Hunt, die Charlie-Wesen mußten sich ja irgendwo entwickelt haben. Bei diesem ›irgendwo‹ konnte es sich entweder um die Erde oder einen erdähnlichen Planeten handeln. Ein anderer Schluß war nach den Regeln der Logik nicht möglich. Er versuchte, sich all sein Wissen über die herkömmlichen Annahmen hinsichtlich der Evolution des irdischen Lebens ins Gedächtnis zurückzurufen.
Und er fragte sich, ob trotz der vielen Jahrzehnte sorgfältiger Forschungen und Untersuchungen, die der Klärung dieser Frage gewidmet worden waren, nicht doch noch weiße Flecken auf den Landkarten der sich so sicher gebenden Evolutionsforscher existierten. Einige Milliarden Jahre waren eine lange Zeit, ganz gleich, welchen Maßstab man an-legte. War es tatsächlich so völlig undenkbar, daß irgendwann in den vergangenen Äonen jene Voraussetzungen entstanden waren, um eine erste, hochentwickelte Spezies entstehen zu lassen, die ausgestorben war, lange bevor der moderne Mensch auf der Bildfläche erschien?
Auf der anderen Seite setzte die Entdeckung Charlies auf dem Mond eine Zivilisation voraus, die über ausreichend technische Möglichkeiten verfügt hatte, ihn auch dorthin zu befördern. Ohne Zweifel mußte vor der Entwicklung der Raumfahrt eine weltweite, technisch orientierte Gesellschaft entstanden sein. Maschinen mußten konstruiert, Gebäude errichtet, Städte gebaut worden sein. Die Zivilisation hätte Metall verarbeitet, und sie hätte all die anderen Kennzeichen des Fortschritts hinterlassen. Wenn auf der Erde jemals eine solche Gesellschaft existiert hatte, dann wäre man unvermeidlich während der jahrhundertelangen Forschungen und Ausgrabungen zumindestens auf Spuren von ihr gestoßen. Aber es war nicht eine einzige solche Entdeckung bekannt geworden. Obgleich die Schlußfolgerung aus diesen Überlegungen klar und offen vor ihm lag und obwohl er sich um Unvoreingenommenheit bemüht hatte, war Hunt nicht in der Lage, die auf der Hand liegende Erklärung auch nur als eine mögliche Hypothese zu akzeptieren.
Die einzige Alternative war, daß Charlie von einem anderen Ort kam. Der Mond konnte natürlich ausgeschlossen werden: Er war zu arm an Masse, um jemals lange genug eine Atmosphäre an sich gebunden zu haben, die die nötigen Voraussetzungen für die Entstehung von Leben geboten hätte, ganz zu schweigen von einer Rasse mit so hoher technischer Entwicklung. Und natürlich bewies der Raumanzug, daß Charlie auf dem Mond ebenso ein Fremder gewesen war wie der Mensch.
Blieb nur ein anderer Planet übrig. Und hier tauchte das Problem von Charlies unbestreitbar menschlicher Gestalt auf, etwas, was Caldwell eigens betont hatte, obgleich er nicht in die Einzelheiten gegangen war. Hunt wußte, daß die natürliche Evolution ein Prozeß war, der auf dem Aus-leseprinzip beruhte, sich über lange Zeiträume erstreckte und von rein zufällig entstehenden genetischen Mutationen angetrieben wurde. Nach den allseits anerkannten Evolu-tionsgesetzen und -prinzipien war es völlig unmöglich, daß zwei verschiedene, im Universum weit voneinander entfernte und isolierte Lebenssysteme im Zuge ihrer Entwicklung identische Endprodukte hervorbrachten. Wenn Charlie also nicht von der Erde kam, dann stürzte ein ganzes Gebäude aus sorgfältig aufeinander abgestimmten wissenschaftlichen Theorien in sich zusammen. Also – Charlie stammte offensichtlich nicht von der Erde. Er konnte aber genausowenig einem anderen Planeten entstammen. Deshalb durfte Charlie gar nicht existieren. Aber er war da.
Leise pfiff Hunt durch die Zähne, als ihm die volle Bedeutung dieser Entdeckung dämmerte. Charlie bot genügend Stoff, um die wissenschaftliche Welt auf Jahrzehnte hinaus zu beschäftigen.
Im Biologischen Institut von Westwood trafen sich Caldwell, Lyn Garland, Hunt und Gray mit Professor Christian Danchekker. Die beiden Engländer erkannten ihn sofort wieder, da Caldwell sie bereits vorher per Vi-Phon vorgestellt hatte. Auf dem Weg zur Laborsektion des Instituts unterrichtete sie Danchekker über weitere Einzelheiten des Projekts.
Trotz seines Alters war Charlies Körper ausgezeichnet erhalten. Das führte man auf die Umgebung zurück, in der er gefunden worden war – auf die konservierende Wirkung eines keimfreien, fast
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