Der tote Raumfahrer
tief. Eilig ging Koriel daran, eine Lampe zu installieren, deren Licht von den Wänden trüb reflektiert wurde. Dann holte er die Lebensmittelrationen aus der Vorratstasche seines Kameraden, lehnte den Bewußtlosen so bequem wie möglich an die Wand und placierte die Lebensmittelbehälter so, daß er sie leicht erreichen konnte. Gerade als er fertig war, öffneten sich hinter der Helmscheibe die Augen.
»Hier kannst du eine Weile ausruhen.« Die übliche Ruppigkeit war aus Koriels Tonfall verschwunden. »Noch bevor du bis drei gezählt hast, bin ich mit einer Rettungsmannschaft von Gorda zurück.«
Der Rotgekleidete hob müde einen Arm. Aus Koriels Helmlautsprecher drang nur ein Wispern.
»Du ... du hast versucht ... Niemand kann ...«
Koriel umfaßte mit beiden Händen den ihm entgegengestreckten Handschuh.
»Du darfst nicht aufgeben. Reiß dich zusammen. Du mußt hier nur eine Weile aushalten.« Seine granitfarbenen Wangen waren feucht. Er trat zum Ausgang der Höhle zurück und grüßte ein letztes Mal. »Halt die Ohren steif, Soldat.« Und dann war er verschwunden.
Draußen errichtete er eine kleine Steinpyramide, um so die Höhle zu markieren. Auf dem ganzen Weg bis nach Gorda würde er solche Pyramiden bauen. Schließlich richtete er sich auf und wandte sein Gesicht herausfordernd der Trostlosigkeit zu, die ihn umgab. Die Felsen schienen ihn in lautlosem Hohn zu verspotten. Die Sterne über ihm schimmerten unbewegt. Koriel starrte auf die Spalte, die sich bis hin zu den Felszacken und Terrassen erstreckte, die den Zugang zum Bergrücken bewachten, der sich in der Ferne erhob. Er fletschte die Zähne.
»So – jetzt sind nur noch wir beide übrig, nicht wahr?« knurrte er das Universum an. »In Ordnung, du Mißgeburt ... wollen mal sehen, wer diese Runde gewinnt!«
Seine Beine bewegten sich wie die Kolben eines Motors, als er den bis zur Endlosigkeit ansteigenden Steilhang in Angriff nahm.
1
Begleitet von einem leisen, aber kräftigen Jaulen stieg ein gewaltiger, silberner Torpedo langsam empor, bis er etwa sechshundert Meter über dem würfelförmigen Gewimmel der Londoner City schwebte. Er war über dreihundert Meter lang und verbreiterte sich am Heck zu einem Delta, das mit zwei spitz zulaufenden Leitfinnen besetzt war. Eine Zeitlang kreiste das Schiff, als genieße es seine wiedergefundene Freiheit. Sein Bug schwang anmutig herum, als es sich nach Norden ausrichtete. Dann schließlich begann es Fahrt aufzunehmen und zu steigen, unmerklich erst, aber doch mit ständig steigender Geschwindigkeit. Das Dröhnen intensivierte sich. In einer Höhe von dreitausend Metern wurden die Triebwerke auf Vollschub gefahren, und sie schleuderten den suborbitalen Skyliner ungeduldig bis an die Grenze zum freien All.
In der Reihe einunddreißig auf dem C-Deck saß Dr. Victor Hunt, Leiter der Abteilung für Theoretische Studien der Metadyne Nucleonic Instrument Company of Reading, Berkshire – eine Tochtergesellschaft der gewaltigen Intercontinental Data and Control Corporation mit Sitz in Portland, Oregon, USA. Geistesabwesend betrachtete er die Bilder vom immer kleiner werdenden Hendon, die über den Wandbildschirm der Kabine flimmerten, und versuchte erneut, so etwas wie eine Erklärung für die Ereignisse der letzten Tage zu finden.
Seine Arbeiten an der Materie-Antimaterie-Auflösung waren gut vorangekommen. Forsyth-Scott hatte Hunts Berichte mit sichtlichem Interesse studiert, und deshalb wußte er, daß die Tests gut vorangekommen waren. Um so eigenartiger war es, daß er Hunt eines Morgens in sein Büro zitiert und ihn einfach gebeten hatte, alles stehen und liegen zu lassen und so bald wie möglich zur IDCC-Zentrale in Portland zu fliegen. Ausdrucksweise und Gebaren des Geschäftsführers hatten deutlich gemacht, daß er sein Ersuchen hauptsächlich der Höflichkeit zuliebe in solch freundliche Worte gekleidet hatte. In Wirklichkeit handelte es sich hier um eine der seltenen Gelegenheiten, in der Hunt keine Wahl mehr blieb.
Auf Hunts Fragen hin hatte Forsyth-Scott freimütig verkündet, daß er keine Ahnung habe, warum Hunts sofortige Anwesenheit in der IDCC-Zentrale so dringend erforderlich sei. Am vorhergehenden Abend hatte Forsyth-Scott eine Videonachricht von Felix Borlan, dem Präsidenten der IDCC, erhalten. Borlan hatte angeordnet, daß der einzige funktionierende Skop-Prototyp für den sofortigen Versand in die USA vorbereitet werden solle. Die Sache habe absolute Priorität. Ein
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