Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
eben für dich einen Wert. Ich denke, er würde sich freuen zu hören, dass er zu irgendetwas nütze war, meinst du nicht? Halt hier an!«
    »Ich … wo?«
    »Hier, bei dem Handwagen.«
    Arny bremste, und ich machte die Tür auf.
    »Wo gehst du hin?«, fragte er.
    »Von hinten durch die kalte Küche.«
    Ich stieg aus.
    »Und was soll ich machen?«
    »Fahr unüberhörbar bis vor die Gebetshalle, geh rein … und bete.«
    »Worum?«
    Wäre es eine katholische Kirche gewesen, hätte er darum bitten können, dass sich unser normales Leben wieder einstellte: Karriere, gesellschaftliches Leben, Respekt, Zugang zu vernünftigem Käse, doch in buddhistischen Tempeln gab es keine Wunschlisten.
    »Tu einfach so, als ob.«
    Leise schloss ich die Autotür und wetzte hinter einen Busch. Von dort aus beobachtete ich, wie er mit gekränkter Miene losfuhr. Ich sah, wie er zur Gebetshalle kam und den Wagen abstellte. Im nächsten Moment kamen vier Laien und zwei Mönche aus dem kleinen Büro und eilten ihm entgegen. Sie umzingelten meinen Bruder wie Hauskatzen eine Ratte. Ich weiß nicht, was er zu ihnen gesagt hat, aber ich sah, wie seine Fahrertür aufging, die Männer zurückwichen und Arny mit hängendem Kopf die Gebetshalle betrat. Eine Sekunde später tauchte er wieder auf, kickte seine Sandalen von den Füßen und ging erneut hinein. Religion. Es war schon eine Weile her.
    In den meisten Tempeln hier unten gibt es eine Nonne. In Thailand zollt man Nonnen nicht mal im Ansatz denselben Respekt wie Mönchen. Sie kochen für alle, füttern die Hunde, putzen, pflegen den Garten … Moment. Das klingt vertraut. Kein Wunder, dass sie so blass aussehen – alle, wie sie da sind. Angesichts dieser unausgesprochenen Animosität jedoch sind sie eher geneigt, geheime Informationen herauszugeben.
    Ich traf auf meine Nonne, als sie eine Wand weiß strich – außerdem ihr halbes Gesicht und einen Arm.
    »Soll ich Ihnen den Eimer über den Kopf gießen? Das ginge schneller«, sagte ich.
    Meine Nonne lächelte. Sie war bestimmt schon über sechzig und hatte in jungen Jahren vermutlich so manchem Mann den Kopf verdreht. Sie war nicht viel größer als ich, aber sofern sie sich nicht ein Bündel Ersatzpinsel ins Hemd gestopft hatte, war sie erheblich großzügiger ausgestattet. Ein alter Mönch im Talar saß auf einer Stufe und wandte ihr den Rücken zu. Überall lagen leise röchelnde Hundeleichen herum wie Gefallene einer großen Hundeschlacht.
    »Der eine kann Wände streichen«, sagte sie. »Der andere kann Autos reparieren. Von diesen beiden Möglichkeiten bin ich dem Weißeln am ehesten gewachsen. Ich schlage also vor, dass Sie mich lieber nicht in die Nähe Ihres Autos lassen.«
    Ich mochte sie. Wahrscheinlich hätte ich mich zehn Minuten durchs Unterholz des Small Talks schlagen und an das Thema heranschleichen können, oder aber ich konnte einfach angreifen. Ich hielt sie für den eher direkten Typ.
    »Ich habe gehört, Ihr Abt wurde ermordet«, sagte ich.
    »Haben Sie?«
    Sie ließ den dicken Pinsel sinken und malte dabei ihren bereits weißen Sarong an.
    »Jep.«
    Sie schien auf etwas zu warten.
    »Und … wurde er?«, fragte ich.
    »Ermordet?«
    »Ja.«
    »Wollen wir ihn fragen?«
    »Ich …!?«
    Die hübsche Nonne wandte sich dem alten Mönch auf der Stufe zu. Er schien mit seinen langen Fingern einen Psalm in die Luft zu schreiben.
    »Jow a wat« , sagte sie und benutzte die förmliche Anrede. »Diese junge Dame würde gern wissen, ob du ermordet wurdest.«
    Meine Hinweise waren zweifellos nicht ganz korrekt. Der Abt fuhr herum und sah mich an. Er war wettergegerbt wie das Wrack eines kleinen Kanus. Sein Brustkorb war ein alter, chinesischer Abakus, der schon lange keine Rechenkugeln mehr besaß, sein Gesicht ein pockennarbiges Muster an Erfahrungen. Offenbar hatte ihm das Leben ziemlich zugesetzt, doch er schien sich in seinem ramponierten Körper wohlzufühlen.
    »Nein.« Er lächelte.
    »Tja, man kann nicht alles haben«, sagte ich.
    »Sie hatten sich einen toten Abt erhofft, was?«, fragte meine Nonne.
    »In gewisser Weise ja«, gab ich zu. »Ich freue mich aber auch sehr, den Meister bei bester Gesundheit zu sehen.«
    »Und inwiefern würde sein Tod Ihre Lebensqualität verbessern, junge Frau?«, fragte die Nonne. »Ich habe gesehen, wie Sie den Wachmann überwunden haben, aus einem Auto gesprungen sind und sich angeschlichen haben. Somit gehe ich davon aus, dass die Nachricht von einem Mord für Sie in gewisser Weise von

Weitere Kostenlose Bücher