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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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hier.«
    »Ich weiß.«
    Ich möchte bezweifeln, dass auf dem Antlitz der Erde je ein weniger überzeugender Wortwechsel stattgefunden hat. Beide wollten wir es unbedingt glauben, besaßen aber nicht die schauspielerische Gabe, es echt klingen zu lassen. Bis gestern hätte ich mir die Mühe vermutlich gar nicht erst gemacht. Doch seither war ich zwei toten Hippies begegnet, die mittlerweile Hinweise lieferten, und es gab einen toten Abt, über den niemand sprechen durfte. Ich hatte die Nachrichtendienste und Websites gecheckt und sogar die Hotline des Thai Reporters’ Club angerufen. Es gab keine einzige Nachricht von einem erstochenen Abt. Entweder hatte Major Mana eine falsche Fährte ausgelegt, oder es herrschte tatsächlich Nachrichtensperre. Sicher sein konnte ich allerdings nur, wenn ich selbst nachsah. Wenn Arny am Steuer saß, war in unserem Wahlbezirk nichts weiter entfernt als eine Viertelstunde.
    »Meinst du, wir werden hier unten jemals Freunde finden?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Heute habe ich einen netten Polizisten kennengelernt.«
    Er sah mich von der Seite an und lachte.
    »Okay, ich weiß, das klang aus meinem Mund etwas seltsam, aber es stimmt.«
    »Hör auf, pee , ich kann nicht gleichzeitig Auto fahren und lachen.«
    »Ehrlich, ich … Okay, vergiss es.«
    Es tat gut, ihn lachen zu hören.
    Der Feuang-Fa-Tempel lag auf einer Anhöhe, vor dem Hintergrund eines unserer seltenen Berge. Von der Straße aus machte er auf den ersten Blick nicht viel her, doch wenn man dann oben am Ende des unbefestigten Weges ankam, sah man überdeutlich, dass er tatsächlich nicht viel hermachte. Es gab eine schlichte, eher schäbige Gebetshalle rechts, einen Weiheraum, einen Aussichtspavillon und einen Stupa. Nichts davon war den Einsatz eines Adjektivs wert. Das Erwähnenswerteste war ein hübsches Beet mit Bougainvilleen, sogenannten »Wunderblumen«, auf der Hügelkuppe links von uns, entlang des Pfades zu den hinteren Mönchsquartieren. Seit Monaten hatte es kaum geregnet, und die Pflanzen leuchteten förmlich. Genau wie Scotch waren Bougainvilleen am glücklichsten ohne Wasser.
    Wir hatten den Hügel erst halb erklommen, als ein nicht mehr ganz junger Mann in schiefergrauem Safarianzug und Flipflops hinter einer großen Regentonne hervortrat und die Hände hob. Er schien so etwas wie ein Low-Budget-Wächter zu sein.
    »Hier gibt es nichts zu sehen!«, rief er.
    Arny bremste, und wir glotzten den dürren Mann durch die Windschutzscheibe an.
    »Arny«, sagte ich. »Ganz ruhig. Reg dich nicht auf. Wenn es dir hilft, kannst du dir auch die Ohren zuhalten.«
    Ich kurbelte mein Fenster herunter und winkte den Mann zu mir her. Sein Schuhwerk deutete darauf hin, dass er kein Polizist war. Ich wagte es.
    »Wir sind hier, um unseren Vater abzuholen«, sagte ich.
    »Es ist niemand da«, sagte der Mann. Seine Stimme und die Zähne waren eine überzeugende Werbung gegen das Rauchen. »Wahrscheinlich ist er schon wieder weg.«
    »Oh, das möchte ich bezweifeln«, sagte ich.
    Er machte sich breit. »Wenn ich Ihnen sage, dass hier niemand ist, dann ist hier niemand. Kehren Sie um!«
    Arny suchte nach dem Rückwärtsgang, doch ich legte meine Hand auf seine.
    »Ich fahre nicht ohne meinen Vater«, erklärte ich.
    »Ich sage Ihnen doch … Wie sieht er denn aus?«
    »Etwa dreißig Zentimeter hoch und silbern.«
    »Bitte?«
    »Er wurde gestern eingeäschert. Wenn wir seine sterblichen Überreste nicht nach Hause holen, lässt unsere Mair uns keine Ruhe.«
    Der Mann zögerte. Glücklicherweise bemerkte er Arnys erschrockenen Blick nicht. Der Wachmann sah zum Tempel hinüber, dann wieder zu uns … Schließlich trat er beiseite und winkte uns durch.
    »Aber beeilen Sie sich!«, sagte er, als wir an ihm vorüberfuhren.
    »Danke«, sagte ich, machte einen wai und kurbelte die Scheibe hoch. »Ist doch merkwürdig, findest du nicht? Dass sie einen Tempel zuschließen?«
    »Das war nicht nett, pee .«
    »Was denn?«
    »Zu behaupten, dass dein Vater tot ist.«
    »Du meinst, er ist gar nicht tot? Verdammt. Wieso hast du mir das nicht gesagt?«
    »Es ist so …«
    »Ich weiß. Respektlos. Man sollte einem Mistkerl, der seine Frau mit drei kleinen Kindern sitzen lässt, Respekt zollen.«
    »Wahrscheinlich hatte er seine Gründe.«
    »Kannst du denn überhaupt niemanden hassen, kleiner Bruder? Findest du in deinem Herzen nicht mal hier und da eine Handvoll Animosität? Zum ersten Mal in zweiunddreißig Jahren hatte unser Vater gerade

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