Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
Bedeutung war.«
    Man weiß, dass sie oft genug selbst eine dunkle Vergangenheit haben und ebenso wenig ohne Schuld sind wie du und ich, aber Menschen in Orange oder jungfräulichem Weiß haben so etwas an sich, das einen dazu veranlasst, die Wahrheit zu sagen. Also setzten wir uns, und ich erzählte ihnen die Blog-Version der Saga meines momentanen Lebens. Sie lächelten und nickten während der gesamten Reise, offensichtlich fasziniert von meinem Niedergang. Und ich kam zum Kreuzweg, an dem ich augenblicklich stand. Es folgte ein kurzer Blick zwischen den beiden. Hätte mich eine Hornisse abgelenkt, hätte ich ihn vielleicht verpasst. Und ich gebe zu, ich könnte mich auch sehr wohl irren, denn Mönche und Nonnen und Imame und katholische Priester sind für mich im Grunde nur kleine grüne Außerirdische. Ich war als Teenager viel zu hip und als junges Ding viel zu zynisch, als dass mich Mannschaftsreligionen in die Falle locken konnten. Dennoch spürte ich, dass die beiden etwas verband. Ich stellte mir einen dunkelroten Teich vor, in dem sie in einem früheren Leben gemeinsam geschwommen waren. Ich glaube, der wortlose Blick sagte: »Sag du es ihr.« – »Nein, sag du es ihr.«
    Es folgte eine Pause, in der ich hörte, wie der Pick-up angelassen wurde, zurücksetzte und losfuhr, aber ich war hier viel zu nah an meinem Ziel, um aufzugeben und ihm hinterherzulaufen. Der Abt hustete und sprach:
    »Zwei der Männer, die vorhin aus meinem Büro kamen, sind Detectives aus Bangkok. Ein anderer ist von der Kripo Lang Suan. Dann ist da noch der Leiter unseres lokalen Mönchsrates. Die Mönche gehören zum buddhistischen Sangha- Kollegium, dem Obersten Mönchsrat, einer Abteilung, die man Pra Vinyathikum nennt. Wären wir Polizisten, spräche man hier von der Abteilung für Innere Angelegenheiten. Und obwohl das hier mein Tempel ist, mein wat , bin ich nicht dort unten bei den anderen, weil ich selbst der Hauptverdächtige in einem Mordfall bin.«
    Hübsch formuliert.
    Tatsächlich dauerte es mehrere Sekunden, bis ich merkte, dass meine Kinnlade herunterhing.
    »Wer wurde ermordet?«
    Die Nonne hatte sich auf der Stufe unter uns eingerollt wie eine Katze. Es war mir etwas unangenehm, aber ich wollte hier keine Regieanweisungen geben. Der Abt fuhr fort:
    »Die Mönche vom Pra Vinyathikum trafen vor zwei Tagen in Begleitung eines Abts hier ein. Sein Name war Tan Winai. Ich hatte ihn vor ein paar Jahren kennengelernt. Wir waren freundschaftlich verbunden, dann jedoch getrennte Wege gegangen. Nun allerdings hatte man ihn hierhergeschickt, um einer Beschwerde nachzugehen – über mich. Bevor er Bangkok verließ, hatten wir telefoniert, sodass ich also wusste, dass er kommen würde. Ich sagte ihm, er sei mir willkommen. Die Mitglieder des Kollegiums besitzen die Macht, Mönchen das Gewand zu nehmen, doch einem Abt können sie nichts weiter anhaben, als dass sie einen Bericht an die Abteilung für Religiöse Angelegenheiten schicken. Die würde dann eigene Ermittlungen anstellen. Es ging also um die allerersten Untersuchungen, und keiner von uns nahm sie allzu ernst.«
    »Hat Ihnen der Abt, der Sie besuchte, die Details der Beschwerde gegen Sie genannt?«, fragte ich.
    »Er war sehr offen. Wir haben die Angelegenheit ausgiebig diskutiert.«
    »Aber Sie konnten ihn nicht dazu überreden, den Anfangsverdacht fallen zu lassen.«
    »Es war eine interessante Debatte. Ein höchst umstrittenes Gebiet. Eines, das in der buddhistischen Lehre nicht klar formuliert ist. In vielerlei Hinsicht konnte ich seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit verstehen. Ich war erpicht darauf, alle Argumente zu hören, um mir selbst eine Meinung zu bilden.«
    »Und Sie hätten sich seiner Entscheidung unterworfen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Worum ging es bei der Beschwerde?«
    Der Abt und die Nonne lächelten.
    »Sie sagen, was Sie denken«, sagte die Nonne. Sie stand auf und legte eine Hand an meinen Arm. Es war das Zeichen, dass ich mitkommen sollte. »Sie könnten ohne Weiteres aus dem Süden stammen.«
    Das kam bei mir nicht unmittelbar als Kompliment an, und ich war eher unglücklich darüber, dass man mich fortschaffte, bevor ich eine Antwort auf meine Frage bekommen hatte, doch wusste ich von klein auf um die Rituale und ungeschriebenen Gesetze in Tempeln. Ich schien die Einzige zu sein, die nicht eingeweiht war. Als wir Kinder waren, hatte uns Mair in die Zeremonien rein- und rausgeschleppt, als träfe uns ein Bannstrahl, wenn wir allzu lange

Weitere Kostenlose Bücher