Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
anderer Leute Fehlbarkeit.«
    Ich sah, wie sie mit der Faust auf das Plastik der Tresenplatte schlug, und wusste, dass es Zeit wurde, mal ein Wörtchen mit dem Markisendetektiv zu reden. Aber eins nach dem anderen. Ich ging hinaus, um meinen Lieutenant einzusammeln, und wollte Ed eigentlich ignorieren, doch die Bohnenstange rief nach mir.
    » Koon Jimm?«
    Ich fürchtete, er würde etwas Peinliches rufen, also ließ ich Chompu allein über den Kies der Auffahrt tänzeln und kehrte lässig um.
    »Ja?«
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte er. Er kam hoch und ragte wie eine Palme über mir auf.
    »Ich brauche keinen Rasenmäher«, sagte ich. Innerlich nahm ich ordentlich Anlauf und trat mir in den Hintern. Es gab keinen Grund, grob zu ihm zu sein, aber gesagt war gesagt, und ich konnte es nicht zurücknehmen.
    »Es geht nicht um den Rasen.«
    »Wie Sie sehen, bin ich ziemlich beschäftigt.«
    Er hielt seine Kappe vor der Brust wie ein Landarbeiter, der mit der Frau des Premierministers spricht. Ich blickte auf und sah das Funkeln, mit dem er auf mich heruntersah, verwoben mit den Sonnenstrahlen. Es war das erste Mal, dass ich ihm in die Augen schaute. Sein Oberlippenbärtchen stand ihm nicht, und die Haare waren entweder ungekämmt oder unkämmbar. Doch seine Augen waren wie geschmolzene, dunkle Schokolade. Ich wünschte, ich hätte ihm nicht in die Augen geblickt.
    »Ich kann warten, bis Sie Zeit haben«, sagte er.
    »Es könnte etwas dauern.«
    »Ich kann warten.«
    »Müssen Sie nicht irgendwo dringend Unkraut jäten oder so?«
    Schon jetzt hatte ich Striemen auf den Backen meines mentalen Hinterteils.
    »Das Unkraut ist auch morgen noch da«, sagte er und lächelte. Und als wären die Augen nicht schon schlimm genug, dieses Lächeln …
    »Wie Sie wollen«, sagte ich. »Ich bin so weit, wenn ich so weit bin.«
    Ich ließ ihn dort stehen. Er war wirklich viel zu groß, als dass ich ihn ernst nehmen konnte, und von entnervender Beharrlichkeit. Ich holte Chompu ab, und wir gingen zu meiner Hütte. Sofern es nicht wieder einen Stromausfall gegeben hatte – mittlerweile täglich, eine konzertierte Erziehungsmaßnahme der Thailändischen Elektrizitätswerke, um uns zu zeigen, wie das Leben in der Steinzeit war –, hätte mein Notebook voll aufgeladen sein sollen. Für den Fall, dass dem nicht so war, hatte Chompu sein eigenes mitgebracht. Ein süßes, kleines Dell in Rotbraun. Wir saßen auf der Veranda mit meinem Notebook auf dem Rohrtisch und uns auf Rohrstühlen, die quietschten und knarrten wie Sadomaso-Mäuse. Ich bot ihm eine Dose Bier aus meinem kleinen Kühlschrank an, aber er sagte, er müsse auf sein Gewicht achten, und nahm lieber ein Glas Eiswasser.
    Während wir darauf warteten, dass der Computer losbrodelte, erzählte ich ihm von meinem Krankenhausbesuch und dem Benz. Es überraschte mich überhaupt nicht, dass er das alles schon wusste. Er hatte den Fortgang der Ereignisse am Funk in seinem Wagen verfolgt und dem Krankenhaus nach mir einen Besuch abgestattet. Der Fahrer des Benz war schon lange abgereist, und die Polizei prüfte den Namen und das Kennzeichen des Autos, das der Mann angegeben hatte. Chompu sagte, er würde meine Theorie zu Sergeant Phooms Verletzungen weiterreichen.
    Ich steckte meinen USB-Stick rein, auf den ich die Fotos bei Home Art kopiert hatte. Als die Aufforderung »Datei wählen« kam, zögerte ich, sie anzuklicken. Die Bilder lasteten noch immer schwer auf meinem Herzen, das ansonsten leicht war.
    »Das ist nichts für schwache Nerven«, erklärte ich ihm.
    »Ich denke, ich habe schon Schlimmeres gesehen«, sagte er.
    Das bezweifelte ich. Ich klickte darauf, und ein grausames Foto nach dem anderen erschien auf dem Bildschirm. Während der ganzen Show hielt er die Hand vor den Mund, doch die Pupillen seiner Augen zuckten von einer Ecke des Bildschirms in die andere. Ich hatte das alles schon hinter mir, das Ranzoomen, das Markieren, das Scharfstellen, und am Ende doch immer wieder nur den brutalen Mord an einem Abt gesehen.
    »Noch mal«, sagte Chompu.
    Er zog seinen Stuhl näher an den Bildschirm, sodass seine Nase kaum ein Kräuseln vom Blutbad entfernt war. Er sah sich die ganze Show noch einmal an – von vorn bis hinten. Als der dürre Hund auf dem letzten Bild die Zähne fletschte, stand Chompu auf und ließ seine Nackenwirbel knacken, bevor er in meine Hütte ging und sich ein Bier holte.
    »Verdammt«, sagte er. »Das war schön.«
    Das war bei Weitem der gruseligste

Weitere Kostenlose Bücher