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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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anzusehen.«
    »Nein, ich weiß nicht, was.«
    »Bestimmt wissen Sie es. Sie möchten doch nicht, dass ich es laut ausspreche, oder?«
    »Haben Sie vorhin nicht zugehört?«
    »Die Chiang Mai Mail hat Sie Moral gelehrt, Opa hat Ihnen das Gesetz beigebracht, und Mama hat Ihnen gezeigt, wie man sich moralisch korrekt verhält. Was sagen Sie nun?«
    »Und wieso ist es bei Ihnen nicht angekommen?«
    »Ihr Opa war vierzig Jahre bei der Verkehrsstaffel. Ihre Mutter hat zum Auffrischen einen dreiwöchigen Kurs in Buddhismus belegt, und die Moral der Tageszeitungen …«
    Langsam machte mir der Mann Sorgen.
    »Haben Sie auch eine Kamera in meinem Badezimmer? Sie wissen rein gar nichts, glauben Sie mir.«
    »Ich weiß, dass Sie eine Kopie von dem gemacht haben, was auf der Speicherkarte der Kamera war.«
    »Und woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil es genau das ist, was ich getan hätte. Und wir beide sind uns ganz ähnlich.«
    »Wir sind beide im Grunde Mädchen?«
    Er zögerte vor seinem nächsten Schluck. Ich fragte mich, ob ich ihn zwischen die Beine getroffen hatte.
    »Wir haben beide mehr drauf, als uns die Leute zutrauen«, sagte er.
    Er schüttelte meine watteweiche Attacke ab, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Wenn Sie nicht wollen, dass Ihre Karriere in der Jauche endet«, fuhr er fort, »brauchen Sie hier im Revier jemanden, der Sie mit Informationen versorgt. Und ich brauche Ihre Unterstützung, damit ich hier mehr als nur ein hübsches Gesicht bin. Es wäre ein simpler, professioneller Deal, auf freundschaftlicher Basis.«
    Ich kippte den Rest von meinem Drink hinunter. Mein Mund war zu klein dafür, doch war ich entschlossen, mich nicht vor seinen Augen zu verschlucken.
    »Ich nehme an, Sie wissen, wo ich wohne«, sagte ich.
    Er lächelte.
    »Morgen früh um zehn«, sagte er.
    Ich verbrachte das, was an Schlafenszeit von diesem Morgen übrig war, in einem Alptraum von wahrlich epischen Ausmaßen. Die Farben waren so grell, dass ich keine Dialoge hörte. Da waren Nonnen und Mönche und lärmende Bougainvilleen. Yuppies in gelben Hemden saugten Staub. Lila Köpfe in Plastikbeuteln baumelten an Seilen. Chompu tanzte. John, die tote Hündin, saute alles mit B-Movie-rotem Blut ein. Es war einer von diesen Träumen, für die man eine Skibrille brauchte, um durchzukommen, weil man sonst schneeblind aufwachte. Gegen sechs Uhr kam ich zu mir, erschöpfter als vorher. Der Sonnenaufgang war knallrosa.
    Offenbar sah ich das Leben nach wie vor durch diesen teuren Fotoapparat, als ich in das kleine Krankenhaus von Pak Nam kam. Die Ambulanz leuchtete in allen Farben: blasses Gelb von Hepatitis, Hell- und Dunkelrot von frischen Motorradunfällen, Lilablau von Fußballprellungen, helles Grün von Lebensmittelvergiftungen und verschiedene Rosatöne der Schwangeren, die ganze Farbpalette bis hin zur fahlen Blässe der Anämie. Ich saß da und schützte meine Augen mit den Händen, während ich auf die Krankenschwester wartete, die mich zu Sergeant Phoom bringen sollte, und ich überlegte logisch: Wenn tatsächlich der Mörder den Sergeant über den Haufen gefahren und die Kamera gestohlen hatte, dann hatte er jetzt, was er wollte, und keinen Grund mehr hierzubleiben. Irgendjemand war plötzlich abgereist. Ich nahm mein Handy und rief die Hotels an, die ich ein paar Tage zuvor besucht hatte. Meine Verdächtigen in Lang Suan waren noch da. Also versuchte ich es bei den Ferienanlagen. Im Tiwa Resort ging keiner ran. Ich sprach mit der Frau vom 69 und erfuhr, dass die koreanische Dame am Vortag abgereist war. Ein Trupp koreanischer Elektriker war eingezogen und hatte sein Mittagsgelage im Restaurant abgehalten, sodass es da möglicherweise zu einem Konflikt gekommen sein mochte. Das ließ sich schwer sagen. Dr. Jiradet sollte an diesem Morgen ausziehen, und die Frau am Empfang deutete außerdem an, sie glaube, das junge Mädchen sei unter Umständen bei dem Deutschen eingezogen.
    Sergeant Phoom lag in einem kleinen Krankenzimmer mit vier Betten. In den anderen Betten lagen Leute, die aussahen, als sei mit ihnen absolut alles in Ordnung. Sie plauderten mit sieben oder acht Dörflern, die im Schneidersitz am Boden hockten und aßen. Nur dem Sergeant schien es schlecht zu gehen, und ich überlegte, ob ich die lustigen Schlemmer bitten sollte, etwas leiser zu sein. Ein junger Constable, den ich nicht kannte, saß neben ihm und las eine Broschüre über Nierenerkrankungen. Er blickte auf, als ich ans Bett trat.
    »Wie geht es ihm?«,

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