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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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fragte ich.
    Ich hatte einen Beutel mit Mangostinfrüchten dabei, den ich auf den Nachttisch legte. Es würde wohl noch etwas dauern, bis Phoom in der Lage wäre, die dicke Schale abzuschälen. Beide Augen waren dick und lila, und eine rasierte Stelle am Kopf umrahmte den zehn Zentimeter langen Tausendfüßer einer Narbe. Sein Mund war geschlossen und blutverkrustet. Arme und Beine waren bandagiert wie bei einem Bombenopfer im Comic.
    »Es geht ihm gut«, sagte der Constable.
    Er war ein hübscher Junge, nicht ruppig genug, um zu einem knorrigen, alten Detective heranzuwachsen.
    »Wirklich?«
    »Eben war er noch wach.«
    »Hat er was gesagt?«
    »Nichts, was einen Sinn ergeben hätte. Wer sind Sie eigentlich?«
    Ich wollte mich schon auf eine Lüge einlassen, falls man ihm gesagt hatte, dass er keine Presse zulassen sollte, aber in unserem kleinen Utopia fiel das sowieso wieder auf mich zurück.
    »Mein Name ist Jimm Juree. Ich …«
    »Sie sind die Reporterin.«
    »Ich kenne den Sergeant. Ich dachte …«
    »Ich wollte immer schon schreiben.«
    Noch vor neun Monaten wäre meine Reaktion auf einen solchen Satz gewesen: »Dann hättest du im Kindergarten besser aufpassen müssen« oder: »Zum Glück ist die Aufnahmeprüfung bei der Polizei bebildert«. Vermutlich hätte ich es nicht wirklich laut gesagt, aber bestimmt hätte ich es gedacht. Irgendwas jedoch passierte mit meinem sarkastischen Talent, und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich merkte, dass es mich in seinem Namen traurig stimmte, dass er Polizist geworden war und seine Chance vergeben hatte, für den South Eastern Write Award nominiert zu werden.
    »Es ist nie zu spät, damit anzufangen«, sagte ich.
    Sergeant Phoom hustete, und der Constable hielt dem Älteren eine kleine Flasche Red Bull an die blutigen Lippen.
    »Hat er das verschrieben bekommen?«, fragte ich.
    »Er schwört darauf.«
    Hauptsache, es hilft, dachte ich. Warum nicht ein Placebo aus Saccharose und Glukose und Koffein? Der Sergeant drehte seinen blutigen Kopf langsam zu meiner Seite vom Bett. Es war, als drehte sich ein Ferkel am Spieß.
    » Nong Jimm«, sagte er. Ich musste mich anstrengen, um ihn zu verstehen.
    »Ist dieses Zimmer nicht etwas zu laut für Sie?«, fragte ich.
    »So ist es immer«, sagte er.
    Ich sah den Constable an, suchte nach einer Erklärung.
    »Seine Familie«, sagte er und nickte zu den Leuten am Boden. Einige winkten mir. Ich winkte zurück. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich ganz nah an den Sergeant.
    »Haben Sie das Auto gesehen, das Sie angefahren hat?«, fragte ich.
    »Das habe ich alles schon gefragt«, sagte der Constable.
    »Der arme Mann hat sich den Kopf gestoßen«, erinnerte ich ihn. »Es lohnt sich immer, zweimal zu fragen, um sicherzugehen, dass die Antwort auch dieselbe ist. Sergeant?«
    »Ich habe es ganz kurz im Rückspiegel gesehen«, sagte er. »Da hatte es mich schon fast erwischt. Schwarzer Benz. Neues Modell.«
    Ich spürte dieses Flattern in der Magengrube und blickte zum Constable auf.
    »Das hat er vorhin auch gesagt«, nickte er.
    »Haben Sie Ihr Funkgerät dabei?«, fragte ich.
    Er klopfte hinten an seinen Gürtel.
    »Okay. Rufen Sie das Revier. Fragen Sie, ob schon jemand im Tiwa Resort war. Wenn nicht, sagen Sie, da wohnt jemand von außerhalb in Zimmer sieben. Er fährt einen schwarzen Mercedes.«
    Der junge Mann wirkte unsicher.
    »Mach ruhig«, sagte der Sergeant.
    Der Constable nahm sein Funkgerät und gab die Nachricht weiter. Alles war still, während er lauschte. Ich lauschte. Die drei Patienten und die Familie auf dem Fußboden lauschten. Der Polizist nickte, als die Antwort kam, und stellte das Gerät aus.
    »Die schicken gleich ein paar Leute rüber«, sagte er.
    Es löste nicht gerade Jubel aus, eher so ein einstimmiges »Hmmm«. Es lässt sich kaum beschreiben, dieses Gefühl, das sich einstellt, wenn man glaubt, man hätte etwas zur Aufklärung eines Verbrechens beigetragen. Ich wäre vielleicht selbst zur Polizei gegangen, wenn ich dann nicht den Rest meiner beruflichen Laufbahn Klos geputzt und Tee gekocht hätte. Die geschlechtliche Gleichberechtigung hat bei der Polizei noch keine rechte Heimat gefunden. Als Journalistin durfte ich wenigstens Fragen stellen. Ich beugte mich wieder zum Sergeant hinab.
    »Haben Sie den Fahrer gesehen?«, fragte ich.
    »Die Scheiben waren getönt«, sagte er. »Zu sehen war nur ein Schatten. Kleiner Mann. Es ging alles so schnell. Ich fiel hin. Einen Moment war ich benommen. Ich

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